Lenny’s Laterne

Eine Stadt wirklich für alle?

Zwischen Kreide, Kaffee und Verkehrsberuhigung – was die Sommerstraße zeigt und was sie verschweigt.

In der Nordsee-Zeitung beschreibt Jens Gehrke einen Sommertag auf der autofreien Alten Bürger: Morgendliche Hundespaziergänge, lebendige Cafés, Malkurse, Straßenkunst, spielende Kinder und am Abend Bluesmusik auf offener Straße – alles in entspannter, urbaner Atmosphäre. Die „Szene-Meile“ präsentiert sich als lebendiger Ort voller Ideen, Begegnungen und Lebensfreude.

Mehr als Kreide und Kaffee? Die Sommerstraße Bremerhaven im Blick“

Die Sommerstraße zeigt, was Stadt sein kann, wenn man dem Auto für eine Zeit den Raum nimmt: ein Ort zum Flanieren, Spielen, Plaudern, Kaffeetrinken. Zwischen Gründerzeitfassaden und Kreidezeichnungen entsteht eine Atmosphäre, die fast beiläufig wirkt – und doch so selten ist. Das ist schön. Und es tut der Stadt gut.

Aber gerade weil es so gut funktioniert, stellt sich die Frage: Warum bleibt es eine Ausnahme?

Die Sommerstraße ist auch das Ergebnis von Menschen, die sich eingebracht haben, die gut vernetzt sind, die für ihre Straße etwas erreichen wollten. Das ist nicht selbstverständlich – und verdient Anerkennung.

Aber es verweist auch auf ein Muster: Wer sichtbar ist, kann etwas bewegen. Wer leiser ist, bleibt oft außen vor.

Dabei gibt es viele Straßen in Bremerhaven, in denen Menschen wohnen, nicht flanieren. Auch an Durchgangsstraßen wird gelebt – mit dem Blick auf Blech, mit dem Klang von Motoren. Lebensqualität sollte nicht davon abhängen, ob man in ein aktuelles Stadtentwicklungsmodell passt oder Teil einer aktiven Szene ist.

Vielleicht kann die Sommerstraße ein Anfang sein – nicht nur als temporäre Oase, sondern als Einladung, größer zu denken. Verkehrsberuhigung ist kein Luxus und kein Event. Sie kann, richtig gedacht, ein Werkzeug für mehr Lebensqualität sein. Nicht nur in Szenevierteln, sondern überall, wo Menschen leben.

Und vielleicht beginnt genau hier ein Umdenken.

Halbzeit, so berichtet die NZ.

Die Zwischenbilanz der Sommerstraße liest sich optimistisch: Begegnungen entstehen, Bars berichten von Umsatzsteigerungen, und Kinder erobern die Straße zurück. Das ist gut – und war das Ziel. Doch inmitten all dieser positiven Signale bleibt ein blinder Fleck: Die Existenzsorgen derjenigen, die auf Laufkundschaft oder kurze Zwischenstopps angewiesen sind, werden zwar erwähnt – doch wie ernst nimmt man sie wirklich?

Die Aussage „Wir nehmen das sehr ernst“ klingt vertraut – sie gehört zum Repertoire jeder gut gemeinten Maßnahme, wenn sich erste Risse zeigen. Doch echte Konsequenzen? Offen. Wer den Fotoladen, die Apotheke oder das Restaurant Italia verloren hat, wird sich mit Umparkratschlägen kaum trösten lassen. Die Straße ist zwar für viele lebendiger geworden – aber vielleicht nicht für alle.

Verkehrswende bedeutet Umverteilung von Raum, und das ist gut so – aber sie braucht eben auch ehrliche Antworten auf Verteilungsfragen. Wer profitiert? Wer verliert? Und was tun wir dann – außer zuhören?

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