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Die Göttin und der Bagger: Warum der Wettlauf um den tiefsten Fluss ein hohes Risiko ist
Einleitung: Die Erbsünde von Bremerhaven
Bremerhaven ist ein historisches Zeugnis der menschlichen Hybris gegenüber der Natur. Geboren aus der Not, als die Weser im 19. Jahrhundert bei Bremen versandete und die Stadt ihren Zugang zum Meer verlor, steht die Küstenstadt symbolisch für den Glauben, dass man die Natur technisch beherrschen könne.
Doch die Geschichte wiederholt sich: Anstatt die hydrologischen Gesetze des Flusses zu akzeptieren, setzen Politik und Wirtschaft erneut auf die Fortsetzung einer historisch fehlerhaften Strategie. Die geplante Fahrrinnenanpassung der Außen- und Unterweser, die zwölfte Vertiefung des Flusses , verspricht, den Häfen Bremerhaven und Brake für Containerschiffe mit bis zu 13,5 Metern Tiefgang zu verschaffen.
Die Faktenlage ist jedoch erdrückend: Dieses Vorhaben ist ein strategisches und fiskalisches Hochrisiko mit minimalem Nutzen. Es ist die kostspielige Wiederholung der negativen Erfahrungen, die wir bereits an der Elbe gemacht haben.
I. Die ökonomische Logik der Tiefe – Ein Verlustgeschäft
Die zentrale Kritik kommt vom Centrum für Europäische Politik (cep): In einer im Januar 2025 veröffentlichten Kurzstudie stuft der unabhängige Thinktank die volkswirtschaftliche Bilanz von Flussvertiefungen als „fiskalisches Hochrisiko mit marginalem Nutzen“ ein , selbst wenn man die immensen Umweltschäden in der Rechnung ignoriert.
Die Auseinandersetzung: Existenzangst der Häfen versus technische Machbarkeitsgrenzen
Die Hafenwirtschaft, organisiert im Wirtschaftsverband Weser, weist diese Kritik als „Mythen“ zurück. Ihre Argumente sind:
- Existenzsicherung: Eine ausbleibende Vertiefung sei gleichbedeutend mit einem „Kreuz hinter die Existenz der Häfen“. Die Reedereien bräuchten Planungssicherheit, da die Häfen andernfalls
- aus den Fahrplänen flögen.
- Technische Beherrschung der Folgen: Die Hafenwirtschaft argumentiert, dass die hydrologischen Folgen der Vertiefung – insbesondere Verschlickung und Salzintrusion – durch technische Mittel bekämpft werden könnten. Hierzu wird der
- Generalplan Wesermarsch als wasserwirtschaftliche Lösung genannt, um die Süßwasserverfügbarkeit in den Grabennetzen der Marsch zu stabilisieren.
Die hydrologische Analyse zeigt hier jedoch klare Grenzen:
- Fokus auf Symptome: Die genannten Maßnahmen wie der Generalplan Wesermarsch sind teure Anpassungsprojekte , die lediglich die Folgen der Versalzung abmildern sollen. Sie beseitigen jedoch nicht die
- ursächliche hydrologische Veränderung im Ästuar, wie die Verstärkung des Tidehubs .
- Bagger-Bumerang-Prinzip: Der Vergleich mit der Elbe belegt, dass Vertiefungen zu chronisch steigenden Unterhaltungskosten führen, da der Fluss das Baggergut durch die veränderten Strömungen zurückführt. Obwohl die Weser nur etwa ein Sechstel des Baggeraufkommens der Elbe aufweist , gilt das Prinzip der kostenintensiven Dauersubventionierung auch hier.
- Hydrodynamischer Fakt: Hydrodynamische Simulationen zeigen, dass die Tide-Amplifikation (Zunahme des Tidehubs) durch Vertiefungen unweigerlich zu höheren Fließgeschwindigkeiten und stärkerer Ufererosion führt.
II. Irreversible Zerstörung und Verdeckte Kosten
Die Vertiefung destabilisiert das gesamte Flusssystem und erzeugt massive externalisierte Kosten:
1. Zunahme des Tidehubs und höhere Fließgeschwindigkeiten: Jede der bisherigen zwölf Weservertiefungen führte zu einer weiteren Zunahme des Tidehubs. Wissenschaftliche Modellierungen prognostizieren, dass selbst eine moderate Vertiefung den Tidehub zwischen Bremerhaven und Bremen um bis zu
10 Zentimeter erhöhen könnte. Diese Zunahme wirkt als
hydrodynamischer Verstärker der Hochwassergefahr, was sich zum steigenden Meeresspiegel addiert.
2. Versalzung und Bedrohung der Wasserversorgung: Die Vertiefung forciert eine Verschiebung der Brackwasserzone flussaufwärts. Die Umweltverbände warnen, dass dies „zusätzliches Brackwasser mit hohen Salzgehalten“ weiter ins Binnenland transportieren und dadurch kommunale Trinkwasserbrunnen und landwirtschaftliche Ackerflächen unmittelbar bedrohen würde.
3. Irreversible Ökoschäden und Rechtsrisiko: Die kumulativen Schäden an der Weser sind bereits gravierend: Laut WWF, NABU und BUND sind über 80% der ursprünglichen Nebengewässer und Flachwasserzonen verlandet oder abgeschnitten. Diese Zonen sind elementar wichtig als Laich-, Aufwuchs- und Nahrungsgebiete. Die damit verbundene Verschlechterung des ökologischen Zustands bringt das Projekt in Konflikt mit dem
europäischen Verschlechterungsverbot (EU-WRRL).
4. Das verdeckte soziale Risiko des Küstenschutzes: Der Bremische Deichverband warnte 2025, dass eine Vertiefung die Notwendigkeit, Deiche zu erhöhen und zu verstärken, um „fast ein Jahrzehnt vorverlagern“ würde. Da ein Teil dieser Kosten über Deichbeiträge finanziert wird, externalisiert das bundespolitisch getriebene Projekt seine Mehrkosten auf die lokale Bevölkerung und wird zu einem verdeckten sozialen Risiko.
III. Die zukunftsfähige Alternative: Kooperation statt Konkurrenz
Die Lösung liegt nicht in permanenter technischer Macht, sondern in logistischem Verstand. Anstatt den Wettlauf um den tiefsten Tiefgang fortzusetzen, fordern Ökonomen und Umweltverbände eine strategische Hafenkooperation nach dem Vorbild der Benelux-Staaten.
Das Port of Antwerp-Bruges Modell hat gezeigt, dass die gemeinsame Steuerung von Investitionen, Spezialisierung (Deep-Sea vs. Distribution) und die Abstimmung von Verkehrsströmen zu einem leistungsfähigeren Hafenkomplex Europas führt.
Die Mittel sollten stattdessen in die Twin Transition – Dekarbonisierung (z.B. grüne Energielogistik) und Digitalisierung – sowie in die Verbesserung der Hinterlandanbindungen (Schiene) fließen. Die eigentliche Lektion der Weser ist: Nicht Macht, sondern
Maß und Respekt vor dem hydrologischen System sind das, was Bestand hat.
Dieses Video enthält teilweise KI-generierte Inhalte (Bild, Ton, Text).
Alle Angaben im Text und im Video wurden nach bestem Wissen und Gewissen zusammengestellt.
Es handelt sich nicht um eine wissenschaftliche Studie, sondern um einen kommentierenden Beitrag zur aktuellen Diskussion.
Quellen, die die volkswirtschaftlichen und juristischen Risiken untermauern
- Centrum für Europäische Politik (cep): Dessen Studien zur volkswirtschaftlichen Bilanz von Flussvertiefungen dienten als Beleg, dass der Nutzen solcher Projekte oft marginal ist, die fiskalischen Risiken aber massiv unterschätzt werden.
- WWF Deutschland: Die Recherche zum „Bagger-Bumerang-Effekt“ und der Steuerverschwendung bei der Elbvertiefung dient als warnendes Beispiel für ähnliche Projekte.
- Europäischer Gerichtshof (EuGH): Das Urteil zur Weservertiefung aus dem Jahr 2015 belegt die juristischen Hürden und den Verstoß gegen die EU-Wasserrahmenrichtlinie.
Quellen, die die Rolle Bremerhavens als Feeder-Hafen belegen
- Weser-Kurier: Dieser Artikel belegt, dass Bremerhaven im Jahr 2024 einen Zuwachs im Feeder-Verkehr verzeichnete.
- Unifeeder: Das Unternehmen selbst liefert Belege dafür, dass es neue wöchentliche Feeder-Verbindungen von Bremerhaven in den skandinavischen und baltischen Raum anbietet, was die wachsende Bedeutung des Hafens in diesem Segment unterstreicht.
Quelle zum Modell der Hafenkooperation
- Studie der Universitäten Erasmus UPT und Vrije Universiteit Brussel: Diese, im Auftrag der Hafenbehörden von Rotterdam und Antwerpen-Brügge erstellte, Studie beschreibt die Synergien und den strategischen Wert der Zusammenarbeit dieser Häfen für Europa.
- Links zu BUND-Quellen:
Links zu WWF-Quellen:
- WWF Deutschland (gemeinsame Pressemitteilung): https://www.wwf.de/2024/august/umweltverbaende-fordern-keine-weitere-weservertiefung
- WWF, NABU und BUND (Bilanz Flussvertiefungen): https://hamburg.nabu.de/imperia/md/content/hamburg/geschaeftsstelle/politik/elbe/250127_bewertung_cep_bund_nabu_wwf_final.pdf