Wie lange hält der Duft des Neuen?
Was meint ihr: Was macht euch glücklicher – ein neues Handy oder eine neue Stadtbibliothek? Und wie lange?
Studien zeigen, dass die anfängliche Begeisterung für Konsumgüter und Infrastrukturprojekte schnell nachlässt. In der Psychologie spricht man von hedonischer Adaption: Das Glücksgefühl nach einer Anschaffung sinkt meist schon nach wenigen Wochen oder Monaten auf das Ausgangsniveau zurück.
| Produkt | Dauer positiver Wirkung | Quelle / Studienlage |
|---|---|---|
| Auto (Neuwagen) | 3–6 Monate | Kahneman & Krueger (2006); CSIRO Australien (2011) |
| Smartphone | 2–4 Wochen | Moffett et al. (2014); GSMA Mobile Report |
| Fernseher / Technik | 2 Wochen – 2 Monate | Brickman et al. (1978); Frederick & Loewenstein (1999) |
| Eigene Wohnung | 6–12 Monate | Studien zur Wohnzufriedenheit / Adaptation-Level-Theorie |
| Eigenheim / Hausbau | 1–2 Jahre | Duhachek et al. (2005); qualitative Langzeitstudien |
Auch bei städtebaulichen Großprojekten ist der „Wow-Faktor“ meist zeitlich begrenzt. Laut Studien hält der sogenannte „Honeymoon-Effekt“ bei Stadtquartieren, Kulturbauten und Einkaufszentren nur 6 bis 12 Monate an. Danach normalisieren sich Besucherzahlen, Aufmerksamkeit und Nutzung deutlich.
Die zentrale Frage lautet also: Wie nachhaltig ist eine Innenstadtstrategie, die stark auf kurzfristige Faszination setzt?
Der Strukturwandel im Einzelhandel hat viele Innenstädte vor große Herausforderungen gestellt. In Bremerhaven steht mit dem Projekt NOVO ein großes Bauvorhaben im Zentrum: Auf dem Karstadt-Areal soll eine neue Stadtbibliothek und Jugendherberge entstehen. Doch ist ein solcher Leuchtturm wirklich der richtige Weg?
Die Investitionsstruktur: Viel Geld, viel Risiko
Laut Machbarkeitsstudie betragen die Baukosten aktuell etwa 75 Mio. €, mit einer jährlichen Belastung für den Haushalt von rund 1,57 Mio. € über 30 Jahre.
Das bindet erhebliche Mittel und verringert den finanziellen Spielraum für andere Projekte.
Die Logik dahinter ist riskant: Ein monolithisches Projekt wie NOVO bindet langfristig Finanzmittel, die nach dem Abklingen des Neuheitseffekts nicht mehr für flexible, kleinteilige oder experimentelle Projekte zur Verfügung stehen. Die Fixierung auf ein Großobjekt reduziert damit die Anpassungsfähigkeit der Stadtentwicklung.
4. Urbanista-Studie: Kleinteiligkeit statt Monolith
Die Stadtplanungsstudie „Urbanista“ (2022) schlug einen anderen Weg vor:
- Nutzungsmischung statt Mononutzung
- Markthalle + Medienhaus statt Einzelbau
- Aufenthaltsqualität durch Grüne Räume und soziale Integration
- Integration von Bevölkerungsgruppen statt Verdrängung
Im Kern steht eine polyzentrische, sozial resiliente Innenstadt mit vielen kleinen Impulsen. Das Prinzip: lieber zehn kleine Ideen als ein großes Versprechen.
Hedonische Adaption in der Stadtplanung
Ein neues Großprojekt wirkt anfangs wie ein Magnet. Doch Studien zeigen: Die anfängliche Begeisterung lässt nach. Die „hedonische Adaption“ bezeichnet genau diesen Effekt. Innenstädte, die auf einen einzigen Anker setzen, können langfristig an Vitalität verlieren, sobald die Neuheit verfliegt.
Bei innerstädtischen Prestigeobjekten lässt sich dieser Effekt empirisch oft nach 12 Monaten nachweisen. Danach sinken Besucherfrequenz und identifikative Bindung. Das NOVO-Projekt droht dabei zum „großen Klotz“ zu werden, der nach der Honeymoon-Phase nicht nur die Innenstadt dominiert, sondern durch die langfristige Kapitalbindung auch die Mittel blockiert, die für kleinteilige Projekte dringend benötigt werden. Stadtentwicklung wird so auf Jahrzehnte fixiert und kann auf neue Bedarfe nur noch eingeschränkt reagieren.
Was Kiel und Mannheim vormachen
- Kiel: setzte nach dem Holstenfleet-Projekt auf Nutzungsvielfalt und grüne Erlebnisräume. Folgeinvestitionen: über 100 Mio. €.
- Wolfsburg: Designer Outlet dominiert, doch Bewohner kritisieren mangelnde Vielfalt. Leuchtturm verdrängt Alltag.
- Mannheim: Q6/Q7 als Innenstadt-Magnet, wird aber durch viele kleinere Projekte ergänzt (Kulturorte, Nachbarschaftshöfe).
„Nicht die Größe einer Investition entscheidet über ihre Wirkung, sondern ihre Einbettung ins Ganze.“