Diese Reise hatten wir schon einmal, vor fast 30 Jahren von Münster aus angetreten.
Damals war die Color Line Fähre noch eine Fähre: mit Truckern, die sich die Zeit vor ein paar Slot-Maschinen vertrieben. Das Restaurant war mit Linoleum ausgelegt, Tische festgeschraubt, die Auswahl an Essen: effektiv.  
Im Skagerrak wackelte das Schiff gewaltig und das Erste, das ich von Oslo sah, waren die Doppeltürme des Rathauses, Symbol für die Verleihung des Nobel Preises.


Kiel

Aber von vorn. 
Kiel ist zu schade, um die Stadt nur als Bahnhof für Oslo/Schweden Fähren oder Kreuzfahrtschiffe zu sehen.
Die Stadt ist klasse, und hat uns gut gefallen. 
In der Innenstadt wurde viel richtig gemacht. Der Holstenfleet war nicht ohne Grund Thema beim Baukulturbericht 23/24. Ein toller Aufenthaltsort. 


Wenn nur nicht diese Kaistraße wäre, eine XXL Ausgabe der Columbusstraße und die AIDAS’s, die faktisch mitten in der guten Stube liegen/stehen. Mit Landstrom, aber störend.
Aber, Kiel wird das noch hinbekommen.


Oslo

Oslo hat mich tief beeindruckt. 
Wir waren hauptsächlich im Brörvika Viertel, also, neue Oper und Munch Museum. Von dort haben wir Ausflüge zum Astrup Fearnley Museum gemacht.
Dort fanden wir dann auch das, uns in Erinnerung gebliebene,” alte Oslo”, rund um die alte Oper.
Als ich dort an der Kaje entlangging, habe ich mich gefragt, warum sieht die Kaje am Neuen Hafen so schlimm und abweisend aus. In Oslo haben sie einfache pragmatische Mittel eingesetzt, um eine hohe Aufenthaltsqualität zu schaffen. Einfache Bänke, einfache Pflasterung und eine in Orange gehaltene Kajen-Begrenzung, die allen Touristen den Weg zeigt, und vom Wasser abhält.


In Bremerhaven, am Neuen Hafen, habe ich die Wahl zwischen kalter Atmosphäre oder Schlaglöchern.
Sieht alles teuer aus (….. nicht die Schlaglöcher!), sicherlich auch gut gemeint, doch ohne Herzblut gemacht.



Zurück nach Oslo.
Die Lebensfreude der Stadt ist ansteckend. Zu schade um nur eine Stadtrundfahrt zu machen, und dann wieder retour zu fahren, wie es einige unserer Schiffs-Mitreisenden getan haben.

Wie man sich in Oslo bewegt? Am besten mit Bus und Tram. Wir hatten uns den Oslo Pass für zwei Tage besorgt, der neben dem ÖPNV auch die meisten Museen abdeckt! ( …..wäre doch auch für Bremerhaven eine Idee!)
Und, wenn man sich die Namen der Stadtteile erst einmal eingeprägt hat, war es einfach und schnell, sich in der Stadt zu bewegen.
Und die Tram? Sie fährt teilweise durch so enge Straßen, daß im bundesdeutschen Rechtsraum mindestens zwei Gutachten notwendig wären, um die Verkehrsführung zu genehmigen und in Bremerhaven das wohlwollende Nicken der Koalitionäre.
Ansonsten fährt sie auf grün durchwachsenen Gleisen.



Wir stehen uns bei der Verkehrswende nur im Wege. In Oslo dagegen: Easy Living. Die Stadt macht das Leben mit ihr leicht.
Der Bahnhof?
Hell, freundlich, eine kleine Markthalle. Eine vollkommen unaufgeregte Atmosphäre.

Eigentlich waren die zwei vollen Tage zu kurz, wir hätten noch einige Ziele auf der Agenda gehabt.
Zugegeben, das Wetter spielte mit: der strahlende Sonnenschein passte zu den Salsa Tänzern an der Oper.
Ein Tipp: Der Spaziergang am Fluß Akerselva entlang.
Wir kamen vom Bahnhof her, also aus dem Gebiet rund um die neue Oper.
Da war es ein wenig schwierig, den Einstieg für den Weg zu finden: hinter dem Busbahnhof geht es eigentlich los.
Aber die Mühe lohnt sich.
Es lohnt sich dem Fluss zumindest bis zu den Markthallen zu folgen. Und man merkt, Oslo ist eine sehr junge, familienfreundliche Stadt. Die Getreidesilos hat man zu einem Studentenwohnheim umfunktioniert, und man sieht noch am Fluß, woher die alte Mühle ihre Energie bekam!

Ein Hinweis noch:
wer das Design Zentrum besuchen will: es ist kein Museum! Im Nationalmuseum gibt es eine entsprechende Abteilung.


Vision ZERO

Die Transformation der Stadt zu ZERO: Verkehrstote, Emissionen… ist atemberaubend. Dies geht einher mit einer Architektur, bei der ich nie ein schlechtes Gefühl hatte. 
Selbst das Hochhausviertel, das sinnigerweise Barcodeviertel heißt, ist witzig und lädt zum Bummeln ein. 
Stadtplanung, die für die Menschen gemacht ist, ganz im Sinne von Jan Gehl


Die Menschen leben ihre Stadt, egal wo man hingeht. Die Salsa Tänzer auf dem Platz vor der großen Oper.
Erst ist der weiße Carrara Marmor des Gebäudes gewöhnungsbedürftig, er wird kombiniert mit schwedischem Granit “Ice Green”!
Aber, der Eindruck ändert sich, wenn man sieht, wie die Menschen den Platz beleben.


Es ging dann zurück. Bis dahin, und bis zum Schluss hatten wir kein Bargeld benötigt.
Alles konnte mit einer Karte bezahlt werden. Selbst die Schließfächer im Museum, die kostenlos waren, konnten mit einer Karte aktiviert ( die Zimmerkarte reichte aus) werden.
Diese pragmatische Herangehensweise, bei der man zuerst daran denkt, wie werden die Menschen etwas nutzen, diese Denkweise gefiel mit in Oslo.
Wenn man Digitalisierung so auffasst, zum Nutzen der Menschen, dann hat das was.
Und, es wurde mir klar, warum Deutschland “Das Geldwäscheland” ist.


Das Kreuz mit der Kreuzfahrt

Ich lästere ja genug über Kreuzfahrtschiffe. Aber eine Fähre, die mich von A nach B bringt, ist für mich etwas anderes. Wenn sie dann den Komfort eines Kreuzfahrtschiffes hat, OK, warum nicht.
Ich muß zugestehen, das gemächliche Reisen mit dem Schiff hat mich schon beeindruckt. Wahrscheinlich noch mehr, wenn ich geahnt hätte, was mich auf der A7 vor dem Elbtunnel erwartet.

 
Ob eine Kreuzfahrt das richtige für mich wäre? Eher weniger! ( ….die Heavy Metal Kreuzfahrt mal ausgenommen….)
Aber von A nach B mit einem Schiff zu reisen, das hat was. Ich könnte mir schon vorstellen, welchen Reiz es hat, mit einem Schiff den Atlantik zu überqueren.
Warum revitalisiert Bremerhaven eigentlich nicht diesen Ansatz ?
Die Columbus Kaje wird wieder zum Ausgangspunkt einer “richtigen Reise” und nicht das Kassenhäuschen für einen Vergnügungspark.
Selbst der Spaziergang auf der “Flaniermeile” des Schiffes war interessant.


Die Sushis, die wir dort auf der Rückreise gegessen haben, waren vorzüglich.
Zwei Schwesterschiffe pendeln zwischen Oslo und Kiel. Abfahrt jeweils um 14:00, Ankunft am nächsten Tag um 10:00. Diese kurze Schiffspassage lohnt sich! Die Color Line ist ein prima Reisepartner!
Wir hatten uns, noch in Kiel, gefragt, was die als Tagesgäste reisenden Norweger aus Kiel in Tüten zum Schiff mitbrachten?  Prime Markt, OK; Aldi, wahrscheinlich Alkohol. 
Aber KFC? Hähnchen? Auf der Rückreise klärte uns ein Stuart auf: 
in Norwegen ist Geflügel sehr teuer, es gibt in Oslo keine KFC Filiale!


Bremerhaven

Viele Eindrücke und Gedanken auf den Weg nach Bremerhaven. 
Aber auch die Frage, was ist in unserem Land schiefgelaufen? 
Was ist in der Stadt schiefgelaufen?
In den Merkel Jahren hatte man jedes Risiko ignoriert, hoch gepokert für das BIP.
Putin und China hat man umgarnt, damit man die berühmte schwarze Null des Olaf Scholz erreicht.
Putins Rechnung haben wir erhalten. Die Rechnung von China wir gerade ausgedruckt.

Das Land wurde heruntergewirtschaftet. Die Infrastruktur ist gerade an der Grenze zum Kollabieren.
Besucher aus anderen Ländern reiben sich die Augen:
saubere, schwere, große Autos, frisch aus der Waschanlage auf Autobahnen ohne Tempolimit….
aber die Städte sind zum Teil heruntergekommen.

Es ist schon ein Witz der Geschichte, dass der Mann, der dafür mitverantwortlich war, Olaf Scholz, jetzt Bundeskanzler ist. Geschichte ist manchmal zynisch.
Die aktuellen, “alten” Politiker haben bewiesen, daß sie es nicht können.
Und sie liefern mit ihrer Unfähigkeit den Populisten ihre Fürsprecher. 
Was Populisten anrichten können, das haben wir in England gesehen.
Das Land ist pleite.
Und Bremerhaven? 
Die Koalitionäre haben bewiesen, sie können es nicht.
Warum sie noch immer auf ihren Stühlen sitzen?
Ich weiß es nicht. Bremerhaven verramscht sich, und die Verzweiflung über leere Kassen wird als Stadtplanung verkauft. Man braucht das Geld, das man für “seine Scholle” bekommt. Nächste Generation? Egal!

Und was berichtet die NZ heute, am 31.7.2024: in die alten Saturn Räume soll ein TEDI einziehen. Ich wollte es erst nicht glauben. Anstatt nicht alles auf das Pokerspiel Karstadt zu setzen, hätte man hier wirklich ein Unternehmen anwerben können, dessen Image zu einem Bereich der Kultur past.


 
Oslo und Paris haben die Kehrtwende geschafft.
In beiden Städten waren es Frauen, die das fertiggebracht hat. 
Noch ist es nicht zu spät. 


Wo ist der Ruck, wo ist dieser Moment? 
Ein Beitrag in der NYT beschreibt die Erfolgsgeschichte der Balkonkraftwerke.
Ihr Erfolg beruht darauf, dass der einzelne das Gefühl hat: er kann etwas bewirken.
Die Politik wollte immer “Every Bodys Darling” sein, eine sorglose Rundumversorgung bieten. 
Das ist der falsche Weg. Die Menschen wollen Verantwortung tragen, 
und nicht, wie in Dystopien, als Zahnräder und Wahlvolk vegetieren.
Das ist der Kern des NYT Artikels.
Noch ist Zeit!


Persönliche Anmerkung:

Ein kleiner Nachschlag, unplugged

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