Karstadt Bremerhaven

Update 30.12.2021 [LINK] und Pressemitteilung der Grünen [LINK]


Die Gestaltungswerkstatt ?

Das Stadtregiment ?

Die Phase Null ?

Urbanista und Co.?

Die Stadtteilkonferenzen oder Planungszelle?

Die Parteien ?


Wer gestaltet Bremerhaven?
Diese Frage stellte ich mir, als ich den Beitrag in der NZ vom 14.12.2021 las. [Link]

Die „Gestaltungswerkstatt“ für die Innenstadt Bremerhaven sieht wie folgt aus:

Jörn WalterAkademie der Künste in Berlin, Hafencity Hamburg (!), Werft Quartier Bremerhaven
Oliver PlatzPräsident der Architektenkammer Bremen
Rainer Nagel,Bundesstiftung Baukultur
Dr. Julian Petrin Urbanista
Melf GrantzSPD Oberbürgermeister
Sönke AllersSPD
Torsten NeuhoffCDU Bürgermeister
Thorsten RaschenCDU
Bernd SchomakerFDP Baustadtrat

Den Architekten Andreas Heller habe ich außen vor gelassen, er wollte nie etwas anderes, als Vorschläge machen, seine Projekte haben die Stadt bereichert, sein Engagement ist ein Glücksfall für Bremerhaven. OK, seinen Entwurf als “15 Minuten City” zu bezeichnen ist natürlich ein Scherz. Es ist eine Konsumzone mit Wohnmöglichkeit. Unter dieser Prämisse wäre auch der Prinzipalmarkt in Münster eine 15 Minuten City, was den eigentlichen Gedanken “etwas sportlich” interpretiert. Der Begriff wird zurzeit inflationär benutzt.
Dies schmälert aber nicht die Qualität seines Entwurfes, und er hat bisher gezeigt, wie sensibel er Themen in Architektur umsetzen kann.

Zitat aus dem Beitrag der NZ:
Melf Grantz erklärte, warum eine Gestaltungswerkstatt das richtige Format sei: Mit einer Gestaltungswerkstatt kommen wir schneller voran. Wir wollen keine Jahre verlieren, um die Innenstadt voranzubringen“, sagte der Oberbürgermeister. Grantz hofft, dass Ergebnisse bis zur Sommerpause vorliegen, damit sie politisch bewertet werden könne.

Das Projekt, die Innenstadtentwicklung, das Bremerhaven für Jahrzehnte prägen wird, soll laut Melf Grantz ganz schnell realisiert werden, keine Zeit verlieren, das ist das neue Mantra.

Das Projekt wurde durch die Karstadt Pleite initiiert, deren Ursache kaum hinterfragt wird. Warum die Eile? Eine Begründung fehlt. Melf Grantz scheint die Probleme der Innenstädte erkannt zu haben (LINK). Aber der Dialog mit den Menschen in der Stadt als Zeitverlust zu sehen?

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Melf Grantz Bericht aus 2020

Die multimodale Nutzung der Innenstädte ist in vielen Städten schon länger Standard. Die Karstadt Pleite und der Niedergang der Innenstädte hat aber nicht nur mit Corona zu tun.

Die Menschen haben sich einfach nicht mehr an die alten Vorstellungen der Investoren von Innenstädten gehalten. Sie sind ihre eigenen Wege gegangen.

Es sind die Menschen, die eine Innenstadt erst zu einem belebten Quartier machen, nicht die Stadtplaner und Architekten, nicht die Politiker und nicht die Investoren.
Diese lagen mit ihren Vorstellungen und Visionen für Städte offensichtlich falsch, sonst gäbe es die Probleme nicht. Die Menschen haben sich aus den Innenstädten zurückgezogen.

Das Projekt “Innenstadt Bremerhaven” wird Auswirkungen auf das Leben aller Menschen in Bremerhaven und umzu haben, für sehr lange Zeit und außerhalb des politischen Zeit-Horizontes der Beteiligten und auch nachdem das Interesse der Investoren erloschen ist.

In einem Beitrag vom RND zu den Plänen der Stadt vom 28.12.2021 [LINK] warnt Manfred Ernst:

Zitat:
Ein Treffen mit Manfred Ernst, 78 Jahre, Ehrenbürger, ehemaliger Anwalt, seit Jahrzehnten kritischer Begleiter der Stadt und ihrer Entwicklung, gleich beim Denkmal für den Gründer der Stadt, Johann Smidt.
Ernst warnt. Vor Investoren, die eher das eigene als das Wohl der Stadt im Blick haben. „Was maximale Rendite bringt, ist keine maximale Verschönerung der Stadt.“ Die Stadt müsse da genaue Vorgaben machen. 

Und die Menschen, die es am meisten betrifft, werden am Prozess nicht beteiligt: die jungen Menschen.

Demokratisch legitimierte Parteien werden ignoriert.

Kein guter Start!


Reiner Nagel, und Dr. Julian Petrin, diese Namen stehen für die Leitlinien der Bundesstiftung Baukultur zur Bürgerbeteiligung und Planungskultur bei städtischen Projekten. [LINK]

Wie kaum eine andere Institution setzt sich die Stiftung für eine frühe und ernsthafte Einbeziehung der Menschen in Bauplanungsprozesse ein.

Wer entscheidet in der Stadt? So der Titel eines Vortrages, den Reiner Nagel 2016 gehalten hat.

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Er beschreibt darin, wie wichtig die Beteiligung, die Kommunikation aller Akteure, besonders der betroffenen Menschen, bei Planungsprozessen zur Stadtentwicklung ist.

Neue Urbanität ist die Mitwirkung der Bürger am Stadtregiment

Reiner Nagel

Er zitiert 5 Grundsätze zur bürgerschaftlichen Mitverantwortung bei der Bauplanung, aufgestellt von der “Stiftung Zukunft Berlin” [Link] :

  1. Bürgerschaftliche Verantwortung muß man ernsthaft wollen;
  2. Es muß klar sein, worum es geht;
  3. Die Auswahl der Mitwirkenden muss begründet sein;
  4. Das Verfahren muss angemessn und transparent, seine Steuerung neutral sein;
  5. Die Bürger müssen nach Abschluss des Vorhabens beteiligt bleiben.

Die Grenzen einer Bürgerbeteiligung sieht er dort, wo partikuläre Interessen von Bürgerinitiativen überwiegen. Es muß immer die gesamte Stadt betrachtet werden.

Den Vortrag hielt er 2016. Von der Wucht, mit der die Klimakrise heute wahrgenommen wird, war in der deutschen Öffentlichkeit zu der Zeit kaum etwas zu spüren, und niemand konnte sich vorstellen, wie Corona die Welt ändern würde. So sind es heute gerade die jungen Menschen, die angesichts des Klimawandels zukunftsorientiert denken, nicht mehr die alten Akteure, die lieber so weitermachen wollen wie bisher.

Corona und die Auswirkungen des Klimawandels haben gezeigt, wie wichtig resiliente Städte und Quartiere sind und wie angreifbar die alten Stadtstrukturen wurden.

Die Welt 2021 ++ ist eine andere.
Wer baut heute noch riesige verglaste Bürogebäude und meint, das wäre zukunftsorientierte Stadtentwicklung?

Im Bau- Kulturbericht 2014/15 zum Thema: Zukunft-Focus Stadt [LINK] heißt es:

Insbesondere beim Themenfeld der Beteiligung wird die Qualität
des Verfahrens essenziell, wenn sie nicht zum reinen „Particitainment“ werden
soll, d.h. zum wirkungslosen Selbstzweck einer Inszenierung von Teilhabe.
„Beteiligung“ ist zunächst ein offener Begriff, mit dem häufig auch Prozesse
bezeichnet werden, die vornehmlich der Informationsvermittlung dienen.
Jede Beteiligungsform erfordert eine tatsächliche und offen kommunizierte
sichtbare Einflussmöglichkeit auf relevante Entscheidungen

Die Bundesstiftung spricht hier von Schritten in der sog. Phase Null des Planungsprozesses.

Als Phase Null wird der Prozess bezeichnet, der den klassischen Planungs- und Bauphasen eines Projekts vorausgeht. In dieser Phase kommen Vertreter aller Beteiligungsgruppen zusammen, um gemeinsam Ziele für Ihr Vorhaben zu definieren und entscheidende Weichen zu stellen. Zitiert nach : Trapez Architektur GmbH ;Dipl.-Ing. Architekt Dirk Landwehr [LINK]

Zitat aus dem Bericht der Bundesstiftung BauKultur:

Die Qualität eines kompetent geplanten, offen kommunizierten und professionell realisierten
Bauvorhabens wird erkennbar an seiner angemessenen und bereichernden Gestalt im
Stadtbild. Indem der vorkonzeptionellen Phase, der sogenannten „Phase Null“, aus –
reichend Ressource eingeräumt wird, können Rahmenbedingungen, Ziele und
Ausgangslagen genauer ausgearbeitet werden.

In welcher Phase wir uns in Bremerhaven befinden, kann niemand so richtig sagen, denn die Investoren sind, im Gegensatz zu den Menschen in der Stadt, schon in den Planungsprozess integriert. Entwürfe liegen auf dem Tisch, Parteigenossen sind auf Kurs.

Die PHASE NULL, die Zeit für die Beteiligung der Menschen in der Stadt, für die Kommunikation des Fundamentes der Planung, ist anscheinend schon vorbei.

Auf Seite 5 des o.g. Berichtes des Stiftung heißt es weiter:

Fehler, die zu Beginn des Planungsprozesses gemacht werden, können später zu Verzögerungen und Mehrkosten führen. Nach einer Untersuchung des Marktforschungsinstituts Bauinfoconsult entfallen nach Einschätzung der befragten Branchenakteure 12% des gesamten Umsatzes der Baubranche auf Fehlerkosten, d.h. Fehlplanung, Rechen-, Kommunikations- oder Ausführungsfehler

Um es mit Robert Habeck zu sagen: Man hat keinen Erfolg, wenn man die Schraube schon falsch ansetzt.

Aber, wie sähe denn eine Beteiligung der Menschen in der Stadt in PHASE NULL aus?

Darüber gibt uns ein Impulsvortag von Dr. Julian Betrin ( Urbanista) Auskunft.

Er hielt auf einer Veranstaltung der Stiftung mit dem Schwerpunkt:
Baukultur ist Partizipationskultur [LINK -> pdf]
einen Vortrag mit dem Thema:
Wer gestaltet die Stadt!
Welche Kommunikationswege braucht das Bauen in der offenen Gesellschaft?

Er berichtet vom Projekt “NextHamburg” [LINK] als Beispiel für eine Bürgerbeteiligung.

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Zitat:
Die Idee von Nexthamburg ist, die Bewegungsrichtung der Beteiligung umzudrehen. Bürger reagieren
nicht auf Angebote und Vorhaben der Stadt, sondern
werden selbst zu Lokomotiven des Dialogs und damit zu
konstruktiven Weiterdenkern der Stadt. Dabei erfahren
sie, dass manches Brett der Stadtentwicklung hart zu
bohren ist.

Zwei Werkzeuge stehen im Mittelpunkt von
Nexthamburg: ein dauerhafter Online-Dialog, der durch
heute gängige Social Media-Kanäle wie Facebook, Twitter, Flickr und Youtube sowie einer iPhone-App flankiert
wird. Während die eigene Dialogplattform eher den Bürgerideen Raum gibt, dient Facebook dem Aggregieren
von aktuellen Themen und Meldungen aus Stadtentwicklungsdebatten

Was ist von den oben genannten Prinzipien in Bremerhaven umgesetzt worden und was wird umgesetzt?

Nicht viel!

Der Urbanista-Prozess in Bremerhaven beschränkte sich auf eine sog. “Zukunftswerkstatt”. Alles ein wenig lieblos und schnell, wenn man es mit dem NextHamburg-Prozess vergleicht.

Wie heißt es im BaukulturBericht 2020/2021 zu öffentlichen Räumen:

Tatsächlich haben die Arbeiten zum vorliegenden Baukulturbericht gezeigt, dass es häufig weder zentrale Interessenvertretungen,
noch Verantwortlichkeiten gibt – es fehlt im abwägenden Sinne eine Lobby für
öffentliche Räume

Die Unterlagen zum Urbanista-Prozess in Bremerhaven lassen erahnen, daß die Ergebnisse nicht repräsentativ und kaum unter demografischen oder statistischen Aspekten relevant sind. Das ist ein grundsätzlicher Konstruktionsfehler dieses Verfahrens, bei dem alle Menschen eingeladen sind, aber nur einige sich durch Selbstselektion einbringen. (wird unten ausgeführt)

Ein Füllhorn von einzelnen Wünschen. Ein Reinschnuppern in das Thema, mehr nicht.
https://urbanista.de/de https://innenstadt-neu-denken.de/

Die Themenauswahl kaschiert, daß viele Wünsche jenseits der Gestaltungsmöglichkeiten der Stadt liegen und die Menschen diese Änderungen durch ihr eigenes Verhalten bewirken können.

Ich hatte mich bei der Durchsicht aber auch gefragt:
warum sind die Innenstädte so öde geworden, wenn doch so viel Interesse an alternativen Nutzungen besteht. Diejenigen, die im Internet bestellen und die Innenstadt meiden, waren offensichtlich nicht beteiligt.
Aber genau um diese Menschen geht es, die stillen, in öffentlichen Dialogen unsichtbaren Menschen in der Stadt.

Das ist auch Urbanista bewußt, und Urbanista kennt die Grenzen seiner “Prozesse”, seines Geschäftsmodells.

In dem o.g. Vortrag wies Petrin darauf hin, wie wichtig die ganze Bandbreite von Beteiligungsmöglichkeiten ist, auch die sozialen Medien, die in Corona Zeiten, im Jahr 2021, einen ganz anderen Stellenwert einnehmen als im Jahr 2012 ( nexthamburg).

Der Online-Handel hat die Städte verändert, d.h. die Menschen haben das Internet in ihre Lebensrealität einbezogen. Sie leben mit und zum Teil schon im Internet.
Das wurde lange Zeit fast komplett ignoriert, das Internet mit seinen Möglichkeiten von vielen Akteuren stigmatisiert.

Das Problem der Urbanista Präsenzveranstaltungen, mit bunten Post-It’s an Flipcharts und schneller Arbeitsgruppenbildung ist, daß es kaum zum freien Fluß der Ideen kommt.
Bei den Post-its weiß man erst nicht, was man darauf schreiben soll, (…..was einem 5 Minuten später natürlich einfällt…), und meistens landet man dann noch in der falschen Gruppe.
Die Veranstaltungen sind reproduzierbar, ergebnisorientiert und formal moderiert.
Aber, nicht repräsentativ!

Viele junge Menschen haben kein Interesse an solchen verschulten Veranstaltungen, spontan ist da nur noch wenig und es ist auch keine Atmosphäre, in der abweichende auch provozierende Meinungen geäußert werden. In vielen Chatgruppen sehen die Diskussionen anders aus.

Ideen, Assoziationen brauchen Zeit und Raum, kein schnelles Labeling , kein Schubladendenken und keine Gruppenzwänge.
Ideen brauchen immer erst ein wenig Chaos und auch Provokation.
Es ist ein langer Prozess zur freien Ideen- und Meinungsbildung, der eben in einem frühen Stadium keine Ordnung und Sortierung verträgt.

Es darf kein “Particitainment” werden, wie Reiner Nagel es so schön beschreibt.

Aber, es gibt mittlerweile auch mehr Möglichkeiten:


Zitat Petrin:
Zwei Werkzeuge stehen im Mittelpunkt von
Nexthamburg: ein dauerhafter Online-Dialog, der durch
heute gängige Social Media-Kanäle wie Facebook, Twitter, Flickr und Youtube sowie einer iPhone-App flankiert
wird. Während die eigene Dialogplattform eher den Bürgerideen Raum gibt, dient Facebook dem Aggregieren
von aktuellen Themen und Meldungen aus Stadtentwicklungsdebatten. Ein zweites wichtiges Werkzeug
sind Veranstaltungen auf unterschiedlichen Ebenen, die
den Online-Dialog an reale Orte holen und Menschen
face to face vernetzen

Wie solche Dialoge auch ablaufen können, zeigt ein Beispiel aus Berlin, aber es finden sich viele andere gute Beispiele im Internet.

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Auch Urbanista sieht die Notwendigkeit, alle Optionen zu nutzen.

Die sozialen Medien und Online Lösungen bieten viele Möglichkeiten, Ideen freien Lauf zu lassen, diskutieren, provozieren in welcher Form auch immer .

Die Urbanista Zusammenfassungen sind ein Puzzlestein im Gesamtbild, mehr nicht!

Was blieb vom Versprechen des Julian Petrin übrig? In Bremerhaven nicht viel. Dies ist fatal, denn wie der o.g. Bericht feststellt:

Zitat:

Die Bevölkerungsgruppe der unter 30-Jährigen ist bei Planvorhaben nochmals deutlich weniger beteiligungsaktiv als andere Altersgruppen. Lediglich bei Protestaktionen und Demonstrationen sowie bei Diskussionen über das Internet ergibt sich ein umgekehrtes Bild.

Also, warum zieht man daraus keine Konsequenzen und bietet andere Formate an!
Das heißt, die Gruppe, die es angeht, die noch lange mit den Änderungen wird leben müssen, ist kaum beteiligt.


Ein Format wären sog. Planungszellen [LINK]

Ein Weg, die o.g. Probleme zu vermeiden, wäre das Verfahren der Planungszelle. Es wurde in den 1970er Jahren durch Prof. Peter Dienel an der Bergischen Universität Wuppertal entwickelt [LINK] und schon oft erfolgreich realisiert. [LINK]

Wie Partizipation funktionieren kann, zeigt eine Stadt wie Bocholt, hier kommt das Verfahren der Planungszellen zur Anwendung, auch als Bürgergutachten bezeichnet. [LINK]
So geht Zukunftsstadt!

Das Bürgerbeteiligungsverfahren Die Planungszelle wurde in den 70’er Jahren von Prof. Dr. Dienel an der Bergischen Universität Wuppertal entwickelt. An diese Tradition anknüpfend hat das IDPF sie an heutige Standards und Bedürfnisse angepasst und fortentwickelt. Die Veranstaltungsdauer einer Planungszelle beträgt mindestens 3 Tage und wird mit mindestens 25 Teilnehmer*innen durchgeführt. Es werden immer eine weibliche und ein männlicher Moderator*in eingesetzt.

Zitat: Institut für Demokratie und Partizipationsforschung, Bergische Universität Wuppertal


In Bremerhaven bleiben dann noch die Stadtteilkonferenzen.

Die Stadtteilkonferenzen sind eine prima Sache, aber nur EINE Form der Bürgerbeteiligung. Ihr Konzept sieht eine enge Anbindung an den Magistrat vor, und auch ihr Selbstverständnis sieht sie als Bindeglied zwischen Bürger und Magistrat.

Auch besteht die Gefahr, daß sich gerade hier Menschen beteiligen, die schon andere Partikularinteressen wahrnehmen.
Große Projekte der Stadtentwicklung, und in Bremerhaven speziell die Innenstadtentwicklung oder Verkehrskonzepte, betreffen die ganze Stadt, nicht nur Stadtteile.

Eine Beteiligungsform für große Bau- und Planungsprojekte, die alle Menschen in der Stadt betreffen, sind sie nicht. Und am Beispiel der Stadtteilkonferenzen hat sich gezeigt, daß nur wenige Menschen, die sich dort einbringen, aus der Gruppe der jungen Menschen stammt. Online Kommunikationsformen sind eher ein Randbereich.

Es gibt viele Kommunikationsformen jenseits von Facebook und Co. die es noch zu entdecken gib.

Wenn man die Komfortzone verläßt.

Hier gibt es noch viel zu tun.

Wie man die Stadtteilkonferenzen als Instrument einer echten Bürgerbeteiligung ausbauen kann, darüber wird man sich noch viele Gedanken machen müssen. Ein Problem der Stadtteilkonferenzen ist, daß sich die Beteiligten durch Selbstselektion einbringen. Dies ist problematisch [LINK] da es an einer repräsentativen Meinungsbildung fehlt.


Sowohl der Urbanista Prozess, als auch die Stadtteilkonferenzen leiden am Problem der Selbstselektion. Die Ergebnisse sind verzerrt. [LINK].
Für eine TOP-> DOWN Kommunikation ist das kein Problem, wohl aber für Themen wie Verkehrskonzepte oder Stadtentwicklung, bei denen eine Bottom->up Kommunikation und Kooperation wesentlich ist und wenn es nicht nur, wie R. Nagel es nennt, ein Particitainment werden soll.


Bürgerräte, zufällig ausgewählte Menschen aus Bremerhaven als Akteure in Planungsprozessen wären eine weitere echte Option.


Bisherige Erfahrungen:

Mit dem #denkraum bremerhaven [LINK] gab es einen Ansatz, der aber leider nicht weiter verfolgt wurde. Es wäre interessant zu überprüfen, woran das Projekt eigentlich krankte, da es mit einem starken Auftritt begann, aber Ideen viel zu früh und schnell kanalisieren wollte. Das war auch der Plattform Bitrix24 geschuldet, die bei klassischen Webinaren gute Ergebnisse erzielt, aber kaum für offene Diskussionsrunden geeignet ist.


Wie kann eine Innenstadt ein Ort für ALLE Bürger werden?
Ein Ort, an dem sich alle Menschen wohlfühlen und nicht nur als Konsumenten oder zukünftige Vertragspartner von Investoren betrachtet werden.
Das wird für den Erfolg eines Quartiers, einer Stadt entscheidend werden.

Die Zeit, dies herauszufinden, wird man sich nehmen müssen, auch wenn Wahlen “drohen” und man schnelle Erfolge vorzeigen will.

Es ist in diesem Zusammenhang erstaunlich, daß die kreativste Keimzelle Bremerhavens, die “Alte Bürger” sich hier raushält, und sehr erfolgreich ihre eigenen Wege geht. Das sollte zu denken geben

Menschen gestalten die Stadt durch ihre Anwesenheit, durch ihr Tun.

Ein schönes Beispiel: Die Poser in Bremerhaven.

Sie nehmen sich einfach öde leere Plätze, und machen daraus urbanes Leben in seiner ursprünglichen, rohen und rauen Form. Das muß man nicht gut finden. So ist aber das reale Leben außerhalb von “Gestaltungswerkstätten”.

Wo Menschen sind, da wollen Menschen hin.

Die Clublandschaften in Industriebrachen haben sich nach dem gleichen Prinzip entwickelt. Erst danach kamen die Hippen-Viertel.
Es gibt viele Bespiele in Berlin, aber auch im eher bürgerlichen Münster.

Wo halten sich die Menschen wirklich auf, wo setzen sie sich hin, wo gehen sie spazieren, wo gehen sie wirklich einkaufen, wenn keiner nachfragt oder hinschaut?

Das sind Fragen, die lassen sich nicht in Werkstätten und Camps beantworten, sondern nur durch empathisches Beobachten.
Aber das ist leider keine Disziplin der deutschen Stadtplanung und braucht eben Zeit, die Melf Grantz anscheinend nicht hat.


Und, fast schon vergessen, da gibt es ja noch die Parteien!
Die Repräsentanten eines erklärten Wählerwillens.

Die Parteien sind demokratisch legitimiert. Das unterscheidet sie von allen vorgenannten Initiativen und Gruppen. Sie sind für alle Entscheidungen legitimiert, die die Stadt betreffen.

In der Gestaltungsgruppe kommen aber nur die Parteien zum Zuge, die in der Koalition schon das Sagen haben. Die anderen Parteien müssen draußen bleiben.


D.h. ein wesentlicher Teil des Wählerwillens wird ignoriert.

Das mag für die klassischen Entscheidungen akzeptabel sein, die für eines Wahlturnus wirken, aber nicht für Entscheidungen, die über den politischen Zeithorizont hinausgehen und irreversible Tatsachen im Stadtbild schaffen.

Schon die Diskussion um die Columbusstraße war kein gutes Signal für fairen politischen Umgang.

Das “Privat”-gutachten der Handelskammer wurde erst “intern” vorgestellt, diskutiert und nur nach und nach den gewählten Volksvertretern überlassen, die in ihrer Not auf Niels Schnorrenberger zugingen, der das Gutachten nicht erstellt hatte, aber es nun vorstellen mußte.

Dies betraf alle Parteien, und ist kein Zeichen, daß die Transparenz politischer Prozesse gewollt ist.
Es ist ein fatales Signal an alle Politikverdrossenen.

Bremerhaven bietet satzungsgemäß nur noch den Bürgerentscheid.

Auch das wäre bei der Planung von großen Projekten ein Weg. Dieser Weg wäre langwierig und vermeidbar, wenn man frühzeitig den Dialog sucht.


Als in Münster das Hafen-Center geplant wurde, hatte man die sozialen Auswirkungen auf die Stadt und das Umfeld “vergessen”, und die Menschen im Viertel mit den üblichen Veranstaltungen abgespeist.

Es kam dann zu massiven Bürgerprotesten, und danach zu Klagen. Das Projekt wurde zur Satire und zum Ärgernis für alle Beteiligten. Mitterweile wurde es gestoppt und wird neu ausgerichtet. [LINK]

Ein schönes Beispiel, was schlechte Kommunikation in “Phase Null” bedeutet, und was Menschen bewirken können, wenn sie sich für eine Sache einsetzen, und etwas skeptischer gegenüber ihren einmal gewählten Vertretern sind.

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