Am Montag hatte die Stadtteilkonferenz Vertreterinnen und Vertreter des Verkehrswende-Bündnisses Bremerhaven zu Gast.

Irina Lewin von Fuss e.V. und Christiane Sundermeyer von Parents for Future stellen das Positionspapier des Bündnisses vor. (pdf->) .

Das Positionspapier ist eine Sammlung von vielen Aspekten und Wünschen zur Verkehrswende in Bremerhaven.
Alles Punkte, die ich unterschreiben kann.
Aber, eine Frage hing im Raum:
Warum kommt Bremerhaven nicht aus dieser Lethargie, diesem Stillstand heraus?

Ich habe in einem Video, das ich gestern hochgeladen habe, ein Bild von Bremerhaven, speziell vom Hafen, beschrieben, ohne auf die bekannten Schlagworte zum Klimawandel zurückzugreifen.

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Auch Kreuzfahrttourismus verdient es, einen genauen Blick darauf zu werfen. Kann diese Urlaubsform auch noch in Zukunft eine Rolle spielen, ohne sich als Außenseiter zu fühlen?
Ich kann den Menschen keinen Lebensstiel vorwerfen, den ich z.B. persönlich selbst lange Zeit gepflegt habe:
mit Fernreisen und zwei Autos (Kreuzfahrten sind nicht so mein Ding) etc.
OK, eine Fernreise, und selbst der Flug nach Mallorca war früher ein teures Vergnügen, aus der Portokasse war das nicht zu bezahlen, dafür hat man gespart, es war etwas Besonderes.

Ich kann höchstens vermitteln, was die Änderung in meinem Lebensstil bewirkt hat! 
Was für mich wichtig war, was für mich jetzt, heute wichtig ist.
Vieles hört sich nach Verzicht an. Für mich ist es aber ein Gewinn.
Aber, das muß eben jeder selbst entscheiden.
Wichtig ist nur, daß alle Fakten, Meinungen und Prognosen auch bekannt sind. Transparenz!

Und, da bin ich bei einem Punkt.

Wenn ich bei meinen YouTube Videos sagen müsste, welche zwei, oder drei sind wesentlich für meine Denkweise?

1) Mobilitätswende braucht einen Paradigmenwechsel!

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Hört sich sperriger an, als es ist!
Ich stelle in dem Video ein Papier der Friedrich Ebert Stiftung vor:
“Paradigmenwechsel oder inkrementelle Veränderungen?” (pdf)
Das Papier bildet für meine Sichtweise auf Mobilität und lebenswerte Städte einen zentralen Baustein.
Denn nur eine Änderung der Sichtweise auf Mobilität wird eine Änderung der Sichtweise auf breiter Basis bewirken, Einzelmaßnahmen haben es da schwer und verpuffen.

Das Interessante an dem kleinen Video ist, dass sich ein Mitarbeiter der Friedrich Ebert Stiftung aus Shanghai bei mir meldete (von dort kamen Aspekte des Textes). Er hatte sich den kleinen Film angeschaut, und freute sich über die Aufmerksamkeit für das Papier und meine eher ungewöhnliche Herangehensweise an das Thema.
Die kleine Schrift bestätigt:
eine Verkehrswende funktioniert nur, wenn wir Mobilität von den Menschen her denken, von ihrer engsten Umgebung ausgehen, dort wo sie leben.
Eine Änderung der Lebensweise funktioniert nur von Unten nach Oben.
Andersherum wird es als Bevormundung, als Freiheitseinschränkung gesehen und verstanden.

2)Das zweite zentrale Video: 
Auf einen Kaffee…Trau keinem Pusher!

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Warum?

Im Video nehme ich den Song von Steppenwolf “The Pusher” zum Anlass, die Frage zu stellen: wem nützt eigentlich die Lebensweise, die wir heute pflegen?
Sind wir nicht mittlerweile abhängig wie Junkies von unseren Konsumwelten? Gefangen in Krediten und Zwängen, Jobs zu tun, die wir nicht mögen?

Steppenwolf unterscheiden zwischen einem Dealer, der ihnen “süße Träume” schenkt, und dem Puscher, der ihnen Drogen verkauft, mit denen sie ihre Seele verlieren.
Der Pusher will die Abhängigkeit seiner Opfer von seinen “Diensten”, denn das ist sein Kern-Geschäft hinter Glitzerfassaden.

Der Film Easy Rider spielt gerade in der Zeit, in der sich die Hippie-Kultur änderte. In den 70 Jahren übernahme Heroinsucht und Drogentote die Hauptrollen.

Aber, sind wir nicht auch süchtig? Shopping süchtig? Muss es immer das neuest Smartphone, das nächste größere Auto sein? Der Kleiderschrank voll? Sind wir das eigentlich noch selbst?
Wer ist der “Puscher”?

Zu diesem Thema, wie man Abhängigkeiten schafft, ist ein Buch zu meiner Bibel geworden: 
Robert Cialdini: Die Psychologie des Überzeugens: Wie Sie sich selbst und Ihren Mitmenschen auf die Schliche kommen.

Cialdini beschreibt simple psychologische und soziologische Mechanismen, die aber perfekt funktionieren und uns manipulieren können.
Man kann sich schützen, wenn man die Mechanismen kennt.

Wer es etwas ausführlicher mag, kann auf
Daniel Kahnemann: Schnelles Denken, langsames Denken
zurückgreifen.

Aber, um auf Bremerhaven zurückzukommen.
Woher kommt diese Beharrlichkeit, an dem Status Quo zu hängen, obwohl wir wissen, es kann so nicht weitergehen?

Rolf Dobelli bezeichnet dies Verhalten in einem Buch als “Default Effekt“:

Menschen lieben, was sie kennen. Vor die Wahl gestellt, etwas Neues zu probieren oder lieber doch beim Alten zu bleiben, sind wir in der Regel erzkonservativ-selbst dann, wenn ein Wechsel von Vorteil wäre

Rolf Dobelli: Die Kunst des klugen Handelns (Warum ist uns der Status Quo so heilig)

Er nennt viele Beispiele:
von der immer gleichen Automarke und Autofarbe, bis zu den Standardeinstellungen beim Smartphone und Computer bis zur immer gleichen Einkaufsliste. Wir sind einfach so! Sollten aber besser auch wissen, daß wir so denken!

Den Effekt kann man sich zunutze machen, in dem man Verhaltensweisen einfach zum Standard erklärt.
Der Mechanismus funktioniert selbst dann, wenn es an sich keinen Standard gibt und gab.

Also, alles eigentlich nichts Neues.

Und für Bremerhaven?

Die Nordseezeitung beschäftigt sich mit dem Vorschlag von Sönke Allers.

Natürlich, da ist viel Wahlgeplänkel, aber eins muss man dem Vorschlag lassen,
Sönke Allers hat ein Bremerhaven gezeichnet, wie wir es uns alle vorstellen können, eigentlich eine Vision.
Und das ist, trotz aller Kritik, eigentlich eine gute Sache. Diese Bilder wirken!

Was fehlt?

Was haben
Hannover, Belit Onay GRÜNE,
Bottrop, Bernd Tischler (SPD) und
Münster, Markus Lewe (CDU) gemeinsam mit
Aachen, Sybille Keupen),
Bonn, Katja Dörner ( Grüne) und eben auch
Anne Hidalgo Paris
gemeinsam?

( Die Liste könnte noch viel länger sein! Siehe die Initiative für Tempo 30 )

Sie, die für ihre Städte Verantwortung tragen, haben eine Vision von ihren Städten.
Es ist eine Geschichte, die sie erzählen, wie ihre Städte in Zukunft aussehen sollen, um allen Menschen ein gutes Leben zu ermöglichen, obwohl sich die Welt um sie herum ändert.

Diese Vision fehlt Bremerhaven. Die Stadt, die Verantwortlichen, hängen am Standard, so wie sie ihn kennen. (s.o.)
Die Zeichnungen von Sönke Allers waren ein Versuch, aber leider auch nicht mehr, als eine hübsche Zeichnung.

Wenn wir in der Stadt, mit der Stadt und für die Stadt etwas ändern wollen, sie für die Zukunft vorbereiten wollen, dann müssen wir diesen Standard ändern, die Erzählung von Bremerhaven ändern.

Es muß sich erst etwas in den Köpfen ändern, bevor wir die Stadt ändern können.

Die Liste der Oberbürgermeister und Oberbürgermeisterinnen zeigt auch: es hängt von den Personen ab, von deren Visionen.

Fast alle Oberbürgermeister und Oberbürgermeisterinnen haben eins gemeinsam:
sie wurden unmittelbar gewählt, sehen sich also als Repräsentant der Stimmbürger.
Sie sind ihren Wählern unmittelbar verpflichtet.
Anders in Bremerhaven.
Hier wird der Oberbürgermeister nach Koalitionsabsprache festgelegt.
Darin sieht nicht nur die NZ ein Problem.

https://t.co/7CN1h0VafA

— Ralf Ekrowski (@ralfekrowski) March 1, 2023

In Bremerhaven fehlt nach der Wahl die Stimme der Wähler, unabhängig von Parteipräferenzen.
Diese Vermittlung kann ein direkt gewählter Oberbürgermeister bewirken. Die isolierte Position Bremerhaven’s in dieser Frage sollte zumindest zu denken geben.

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