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Am 4.7.2022 traf sich die AG Innenstadt und Verkehr der Stadtteilkonferenz Mitte. 

Eingeladen waren Claudia Bitti, Citymanagerin, und Dr. Mayer von Erlebnis Bremerhaven.

Das Thema:

Wie kann die Innenstadt während der Abriss- und Bauzeit am Karstadt-Areal belebt werden und welche Vorstellungen hat dazu der Einzelhandel? 

Dr. Mayer erklärte, wie die Stadt den Einzelhandel während der Umbauphase informieren und auch einbinden will. Für eine genauere Beurteilung der Situation sei es zu früh, da noch keine Termine festständen.  
Auch Claudia Bitti konnte kaum etwas zu dem Thema sagen, da bisher nicht bekannt ist, was genau wann passieren soll.

Als die AG das Thema Karstadt und die Entwicklung der Innenstadt als Thema aufgriff, begann eine grundsätzliche Diskussion, die so schon viel früher und auch in einem größeren Rahmen hätte stattfinden müssen.
Kultur oder Kommerz, wie soll sich die Innenstadt ausrichten?

Ich muss vorwegschicken, dass es zu den Aufgaben von Dr. Mayer gehört, sich um die Vermarktung der Innenstadt zu kümmern. Stadtplanung ist nicht seine Aufgabe, sondern Aufgabe der Politik. Dies stellte er auch immer ausdrücklich klar.

Die Positionen, die sich in der Diskussion herauskristallisierten, lassen sich kurz umschreiben: 

Soll die Innenstadt hauptsächlich ein Ort für den Konsum, für das Shoppen sein, und soll nur aus diesem Grund die Atmosphäre verbessert werden, so Dr. Mayer?

Oder soll die Innenstadt auch ein Ort für alle Menschen werden, in der Konsum- und Kulturtempel nebeneinander stehen können, so Claudia Bittis und auch meine Ansicht, indem sich beides ergänzt?

Das Internet hat dem Handel in der Innenstadt zugesetzt, und daran wird sich auch nichts ändern. Alle Versuche, beide Welten zusammenzubringen, sind gescheitert. Die Innenstädte haben sich verändert. Letztlich ist eine Einkaufsstraße, wie Dr. Mayer die Bürger sieht, nichts anderes als ein Einkaufscenter im Freien. Und so behandelt er die Bürger auch.

Die typischen Malls sterben, nicht nur in den USA, auch in Deutschland!

ur wenn Shopping Center eine Aufenthaltsqualität bieten, die im Internet nicht zu finden ist, können sie sich in kleiner Form, wie z.B: das Moin Center in Bremerhaven, behaupten. 

Aber, junge Menschen, Studenten findet man dort kaum. Aber auch die kaufkraftstarken älteren Generationen haben ihre Probleme mit hippen Shopping Meilen. Der demografische Wandel schreitet voran. 

Eine Untersuchung der  Uni Würzburg “

“Demografischer Wandel und innerstädtische Einkaufszentren in Deutschland” Susanne Hoffmann 2017

zeigt, dass demografische Effekte aktuell fast überhaupt nicht berücksichtigt werden.

Es gibt also keine einfachen Lösungen, wie: schicker Laden = viele Besucher = lebendige Innenstadt.

Es stellt sich natürlich die Frage, hat Bremerhaven überhaupt eine Innenstadt?

Die jetzige Bürger wird schon lange Zeit als Einkaufsstraße genutzt, und dies wurde mit der Einrichtung einer Fußgängerzone zementiert. Aber, diese reinen Fußgängerzonen sind der Tod jeder Innenstadt! So der Stadtplaner Martin Schmitz.

Warum Martin Schmitz Fußgängerzonen am liebsten abschaffen würde

Eine Sendung auf Bremen 2

Claudia Bitti stellte fest:

Wir wissen doch, daß reine Einkaufsstraßen nicht funktionieren, wieso machen wir also immer wieder die gleichen Fehler?

Vielleicht muß man sich genau jetzt was trauen! So ein Beitrag auf ButenunBinnen

Aber, man traut sich nicht, und setzt wieder auf die alten Konzepte, die nicht funktionieren!

Es sind die sog. “Dritten Orte”, welche die Menschen wieder in die Stadt bringen.

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Die neuen Stadtbibliotheken stehen hier ganz oben auf der Liste der Orte, die eine Innenstadt wieder beleben können.

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Oder wie es Olaf Zimmermann Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates in einem Interview auf kulturrad.de sagt:

Gerade auch der Kultur-Einzelhandel wie Buchhandlungen, Galerien oder Musikgeschäfte, Dritte Orte wie Museen und Bibliotheken, Kultur- und Kunstvereine, Musikschulen, Geschichtswerkstätten und besonders Künstlerinnen und Künstler prägen unsere Innenstädte. Zusammen geben sie ihr ein individuelles Gesicht.

Konkret stellt sich diese Grundfrage in Bremerhaven beim Saturn Gebäude. Dr. Mayer stellt klar, dass diese Flächen, die im Privateigentum stehen, sehr teuer sind und das für eine städtische Nutzung ein Problem ist.
Aber, was ist der Stadt Kultur und Aufenthaltsqualität wert?

Die Stadtbibliothek ist der einzige Konsum-freie-Ort in der Innenstadt.
Dr. Mayer führt wirtschaftliche Gründe an, warum dieser Ort nicht Konsum-arm bleiben kann.

Er stellt aber immer wieder klar, dass das eine politische Entscheidung ist, und es ist nicht seine Sache, darüber Entscheidungen zu treffen.

Ich hatte nach dieser Diskussion nicht den Eindruck, dass ein Interesse besteht, die Innenstadt neu auszurichten.
Man folgt den alten Dämonen, und will Konsum Magneten, um die Menschen in die Stadt zu holen.

Dr. Mayer:

Bremerhaven ist mit Kultur in der Innenstadt bestens ausgestattet!

Er nennt das Klimahaus, Auswandererhaus, und dann das Theater.

Es gibt aber zwischen diesen Kultureinrichtungen einen großen Unterschied.

Klimahaus, Auswandererhaus, Hafenwelten sind eher touristische Ziele, kaum ein Bremerhavener besucht die Häuser mehrmals im Jahr.

Das ist beim Theater und bei der Kunsthalle anders, das sind Einrichtungen für die Menschen in der Stadt.
Aber Dr. Mayer betont, die Menschen sind ja eh schon hier, und er will neue Menschen in die Stadt holen.

Nur, wer kommt schon nach Bremerhaven, um nach einem Besuch des Klimahauses beim “New Yorker” Ramsch einzukaufen? Wohl eher wenige und ganz bestimmt nicht Wissenschaftler des AWI.

Nach der Diskussion habe ich Zweifel, ob die Stadt wirklich etwas für einen kulturellen Schwerpunkt in der Innenstadt, wie eine neu ausgerichtete Stadtbibliothek will.

Auch Urbanista war ein Thema, Dr. Mayer richtet sich noch immer nach den Ergebnissen, während ich bekanntlich Probleme mit dieser kommerziellen Art der Bürgerbeteiligung habe, da, mich eingeschlossen, sich immer nur die üblichen Verdächtigen und Wortführer nach vorne drängen. Und, natürlich auch noch das “Vogonen Problem” besteht! ( siehe 6.7.2022)

Ein Aspekt blieb unbehandelt. Diese “Dritten Orte” nehmen auch wichtige soziale Aufgaben wahr. 

Die öffentliche Bibliothek als sozialer Lernort, so ein Beitrag auf den Seiten der Bundeszentrale für politische Bildung.

Diese Einrichtungen sind, im Gegensatz zu Konsumorten, Orte des sozialen Lernens, und können insbesondere in der Innenstadt wichtig für sozial problematischen Szenen werden, die wir ja aktuell in der Innenstadt erleben.

Bremerhaven hat ein Problem mit Jugendlichen in der Innenstadt. Ein Dritter Ort könnte hier, unterstützt mit Sozialarbeit, einen sozialen Anker bilden. Aber gewollt ist anscheinend ein Konsum Anker, der diesen Jugendlichen nichts bringt.

Die Zeit verging wie im Fluge.

Diese Diskussion war spannend und offen.

Sie müsste im größeren Rahmen geführt werden. Zu spät ist es noch nicht, da noch viele politische Entscheidungen ausstehen. 

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