Winnetou!

Julia Encke hat einen Kommentar in der morgen erscheinenden FAZ am Sonntag geschrieben.
Sie sieht die Diskussion um die neuen Winnetou Jugendfilme als Generationenproblem. (Link folgt)
Aber auch die ZEIT hat sich mit einem Kommentar von Hasnain Kazim eingebracht.

Wenn ich darüber nachdenke…

Mein Vater hat es mir Jahrzehnte später einmal gestanden, wie schlimm es war, als er mit mir “Winnetou und das Halbblut Apanatschi” mit der damals noch unbekannten Uschi Glas und dem jungen Götz George im Kino anschauen mußte.
Ich war 11, der Film ab 12 also, Vater mußte mit.

Ich kann mich beim besten Willen nicht mehr an den Inhalt des Films erinnern, und im Gegensatz zu den anderen Karl May Verfilmungen habe ich diesen Film wirklich nie mehr gesehen.

Aber auch meine Mutter blieb von meiner Winnetou Begeisterung nicht verschont!
Ribana, Piere Brice hatte eine Single rausgebracht (Winnetou II), erschallte täglich bei uns im Haus, bis Mutter die Platte wahrscheinlich versteckt hat, und froh war als damit Schluss war, weil sie mir dann Satisfaction von den Stones mitbrachte
(Die Beatles waren bei Woolworth ausverkauft, gestand sie später).
Weder meine Mutter noch ich hatten eine Ahnung, was da gesungen wurde, aber für Mutter war alles besser als Ribana.
Soweit meine Erinnerungen! Und zu der Frage, welche Ereignisse einen Geschmack prägen.
Bei mir war es offensichtlich der Warenbestand von Woolworth Ahlen.

Ich durfte mir dann, damals gab es noch bei Bertelsmann den Bücherclub, man konnte sich regelmäßig im Abo Bücher bestellen, die Filmbände bestellen. Ich habe sie heute noch, abgegriffen.

Was hängen blieb?

Die Filme problematisierten, ob kitschig oder nicht, die Situation der Stämme in den USA bei der Errichtung der Eisenbahn.

Das war auch das Thema von Spiel mir das Lied vom Tod, nur unter Weißen!
Es ist auch Blödsinn, dass Winnetou als edler Indianer dargestellt wird, er wurde als edler Mensch beschrieben.
Jahre später schreckte mich der Film“ Wiegenlied vom Totschlag” auf, und zeigte die Brutalität des Genozids an den amerikanischen Stämmen. Auch hier das Thema Land-Inbesitznahme!
Aber auch schon bei den Winnetou Filmen wurde hinterfragt, wem gehört eigentlich das Land.
Das Thema blieb bei mir hängen.

Kulturelle Aneignung?
(WinnetouI)
Der weiße Berater der Apachen, Klekih-petra zog sich zu den Apachen zurück, Nscho-tschi sollte die Schule der Weißen besuchen. Kulturelle Aneignung/Enteignung, das Thema gab es schon bei Winnetou I.

Romantisierende Darstellung?
Warum ist das auf einmal ein Totschlagsargument?
Es muß nicht immer die Arte Doku sein.
Sowohl Winnetou, als auch Wiegenlied vom Totschlag und Little Big Men haben bei mir Spuren hinterlassen.
Und bevor Kevin mit dem Wolf tanzte, gab es noch “Ein Mann, den sie Pferd nannten”
Sicherlich alles keine Dokus, aber nicht im Focus.

Kulturelle Aneigenung?
Jens Balzer hat ein Essay darüber verfasst, “Ethik der Appropiation.”
Er ist Musikjournalist und so nimmt er sich Beispiele aus der Musikszene vor, insbesondere den Hip-Hop.

Er beschreibt die Aneignung fremder Kultur in der Musik anhand einiger Bluesmusiker und eben anhand der Entwicklung
des Hip-Hop.

Die Durchmischung, das Zitieren, das Übernehmen von Gedanken und Praktiken als Grundlage jeder Kultur.
Kultur gibt es nie in einer „reinen Form“ gibt, sie immer das Ergebnis eines Prozesses.

Und da liegt eigentlich das Problem, und er weist darauf hin, dass die jetzige Diskussion gefährlich ist, und schnell in Formen einer rassistischen Identitätspolitik enden kann, die alle kulturellen Merkmale hübsch in Schablonen und Schubladen schiebt, und einem Ranking unterzieht.

Der Begriff „Aneignung“ täuscht ein wenig darüber hinweg, daß damit eine Art Urheberrecht auf Kultur postuliert wird.
Eine Aneignung wird dann problematisch, wenn sie mit einer Enteignung, einer Entwertung oder Entwürdigung verbunden ist, wie es zum Beispiel beim Blackfacing geschieht, oder, Balzer führt viele Beispiele an, wenn musikalische Wurzeln als eigene verkauft werden.

Aber, auch das ist problematisch, keine Blues mehr von Erick Clapton? Der wohl, vorsichtig gesagt, ausgesprochen konservative Ansichten kundtut. Oder, Paint in Black von Eric Burdon?
Oder “Rivers of Babylon”. Der FAZ Beitrag beschreibt die Hintergründe, lesenswert, weil es auch etwas mit
Dreadlocks zu tun hat.
Schwierig.
Kann ich dann eigentlich beim CSD mitgehen, als Stino (….. so wurde ich in den 70er genannt), oder ist das schon kulturelle Aneignung?

Die Zeit heute ist kompliziert, auch in der Schwulenszene.
Es gibt eine schöne Szene in der Serie Tales of the City (2019) 4. Folge (leider nur Netflix)
Die Serie spielt in der LGBT Szene von San Francisco, und in dieser Folge treffen zwei Generationen von Schwulen aufeinander, während eines Abendessens. Während die Älteren übereinander witzeln, und sich mit Begriffen bezeichnen, die ich nicht wiedergeben kann, ist der junge Schwule entsetzt, und weist die anderen auf einen respektvolleren Umgang miteinander hin.
Die Alten erzählen ihm dann über ihre Erfahrungen in der AIDS Zeit, und wie es überhaupt so weit kommen konnte, daß er heute sein Leben als Schwuler offen leben kann, welche Kämpfe notwendig waren, und sind.

Ich kenne die 80/90 Jahre noch sehr gut, und wenn ich heute Namen wie Seehofer höre, kann ich mich noch sehr gut daran erinnern, wie darüber diskutiert wurde, Lager zu errichten. Vergessen habe ich das bis heute nicht.

Die Decke der Zivilisation ist sehr dünn, auch heute und wir sollten sie nicht noch dünner machen, in dem wir versuchen, alles in Schubladen zu packen.

In Bremen läuft gerade die Ausstellung zum Thema Würde.
Was ich auf die Frage antworten würde, jenseits des Juristen:
ich möchte einfach nur als ICH gesehen werden, nicht hetero, nicht schwul, nicht klein, nicht groß, nicht alt, nicht jung, nicht Mann, einfach nur als Mensch, und nicht in eine Schublade gesteckt werden.
Mich gibt es eben nur als Gesamtpaket. Egal, ob sich da Teile ändern.
Das verstehe ich unter Würde, außerhalb der Grundrechtskommentare.
Aber, wahrscheinlich bin ich ein Auslaufmodell!

Aber, zurück zu Winnetou!

Es ist spannend, wie Balzer in Winnetou auch eine Art Dragqueen sieht, und auch so die Begeisterung von Jungen zu erklären versucht, die sich schminken und mit langen Haaren auftreten.
Warum nicht?

Dieser Gedanke taucht schon bei Margot Kroymann 2014 auf, die feststellt:
“Winnetou und Old Shatterhand sind extrem homosexuell!”

Niemand fragt sich heute, was für ein Männerbild in den Filmen eigentlich vermittelt wurde? In den 60ern!!

Balzer zitiert einige Stellen aus Winnetou 1, in denen Karl May Winnetou wie in einem Liebesbrief beschreibt.

OK, als ich älter wurde, blieb ich dem Western treu, und wurde ein Italo-Western Fan, bis heute.
Das Männerbild ist etwas verschieden von dem der Winnetou Filme, aber das ist ein anderes Thema, da in den Italo Filmen immer wieder starke Frauen auftauchten.
Die Italo-Western waren eine direkte Antwort auf die Winnetou Filme, man wollte etwas vom Kuchen abhaben.
Ohne Winnetou, kein Django! Um die Frage im Titel zu beantworten!
Aber warum jetzt gerade Winnetou solche Diskussionen auslöst?

Der Spiegel berichtet am 25.8. über den offenen Brief der Karl May Gesellschaft, er ist lesenswert.

Zum offenen Brief:

Ganz unstreitig gehörte diesen das Land, welches sie bewohnten; es wurde ihnen genommen. Welche Ströme Blutes dabei geflossen und welche Grausamkeiten vorgekommen sind, das weiß ein jeder, der die Geschichte der ›berühmten‹ Conquistadores gelesen hat.

Karl May: Winnetou, der Rote Gentleman.  1. Band, Freiburg i. B. 1893, S. 3)

Es ist einfach, aber sehr gefährlich, hier einfache Lösungen zu verlangen.
Verbote helfen nur denjenigen, die sich über einen identitätspolitischen Rassismus freuen.

Für ein paar Clicks mehr!

Würde Clint jetzt sagen.

Thats All!

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