Die Frage beschäftigte mich nach einem Besuch der Eröffnung der Ausstellung
“Anne Bourse “Old People Smoking” in der Kunsthalle Bremerhaven.
.

Ist Bremehaven “Zuhause”, was macht ein “Zuhause” eigentlich aus?

Dazu habe ich einen Cast auf YouTube eingesprochen:

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Es ist doch eigentlich die Frage aller Fragen:
wo fühle ich mich wohl, wo bin ich Zuhause?

Anne Bourse erzeugt in der Kunsthalle eine Atmosphäre!
Sie gestaltet den Raum des Kunstvereins mit aufwendig hergestellten Textilien, Stoffen, Materialien, sie baut kleine Modelle von “Räumen” von “Wohnräumen”.
Der nüchterne Eingang zur Kunsthalle wird so zu einem Raum, abgegrenzt vom Draußen.

Es geht hier nicht um die Frage des Designe, ob Vitra, IKEA oder Gelsenkirchener Barock.

Man kann nicht “NICHT Wohnen”, um einen Spruch von Paul Watzlawick etwas abzuwandeln.
Ich wohne immer.
Ich wohne auch in meiner Haut:

” Ich fühle mich nicht wohl in meiner Haut!”,
“Es ist zum aus der Haut fahren” viele Sprüche zeigen, dass die intimste Grenze, Abgrenzung, die wir kennen, unsere Haut ist.
Unsere Haut ist auch eine Wohnung, ein Zuhause.

Danach, nach dieser intimsten Grenze kommt die Wohnung, das Zimmer!

Arte hat sich in einer Sendung mit dem Thema beschäftigt, mit der Wechselwirkung zwischen Wohnen und Bewohnern.

Diese Sendung widmet sich auch den Menschen, die keine Wohnung haben, die wohnungslos sind.
Housing First, dies Konzept aus den skandinavischen Ländern, wird in der Sendung auch behandelt.

Zu Hause, Zuhause und Wohnen!

Ich war erstaunt, wie wenig Literatur es eigentlich zu diesem Thema gibt.
Emanuella Cocca: Das Zuhause und
Florian Rötzer: Sein und Wohnen

sind zwei Autoren, die sich mit diesem Thema beschäftigen

Aber, was hat das nun mit dem Neujahrsempfang zu tun?

Ich habe ja schon über den kleinen Kulturschock geschrieben, den Oberbürgermeister Melf Grantz und Stadtverordnetenvorsteher Torsten von Haaren auf der Veranstaltung erlitten haben.

Anlaß war ein Imagefilm von Pheline Hanke:

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In der Podiumsdiskussion wurde OB Melf Grantz mit der Sicht junger Menschen auf Bremerhaven konfrontiert.
Er versicherte, er arbeite doch an Wohnraum, an Arbeitsplätze.
Und auch an Räume für junge Menschen.
Aber wofür steht er eigentlich? Welche Fiktion repräsentiert er in seinem Amt?
Für ein Haus im Grünen, das Reihenhaus, Garage, Auto vor der Tür, schneller Weg zur Arbeit, dort 7 Stunden, dann Weg zurück, Haus im Grünen?
Die Stadt wird zum Transitbereich degradiert.
Man braucht sie zum Einkaufen, etwas Kultur.
Ansonsten: Zuhause ist das Haus im Grünen!

Oder, eben auch das Auto!

Das Besondere an dem Foto ist nicht, dass ich mal Haare auf dem Kopf hatte, sondern ich nutzte, wie meine Freunde und Freundinnen damals, das Auto als Zuhause.
Dort spielte sich fast das ganze Leben ab! Eine Befreiung vom Elternhaus.
Die alten Daimler waren perfekt: preiswert, schnell und einfach zu reparieren, wenig PS d.h. sie verbrauchten wenig Sprit, und viel, viel, viel Platz.
Auch ein Auto kann, oder ist oft, ein intimer Ort, ein Zuhause.

Deshalb ist es so problematisch, das Auto rauszudrängen aus dem Leben der Menschen, ohne dafür einen Ersatz zu bieten.

Aber, den gibt es!


Wie sehen das die jungen Menschen im Film?

Der Film ist eine Fiktion, schnell geschnitten, mit Protagonisten aus dem Umfeld der Filmemacherin.
Aber es sind ja gerade die Fiktionen, die neue Perspektiven bieten


Die jungen Menschen in dem Clip sehen die Stadt, das Urbane vollkommen anders als OB Melf Grantz.
Sie nehmen den urbanen Raum wieder in Besitz.
Die Stadt ist nicht mehr Transitzone, sie wird zu einer Lebenszone!

Autos kommen in dem Film nicht vor, die Straße wird im eigentlichen Wortsinn besessen, die Stadt ist die Bühne, auf der sich das Leben abspielt, und nicht nur eine Verkehrskulisse.

Diese Sichtweise, auf die Ausweitung unseres häuslichen Zuhauses auf den urbanen Raum findet sich in der reinsten Form in der Idee der “One Minute City”, der “1 Minuten Stadt”.

Die Trennung von häuslichem Bereich, zum urbanen Raum wird immer mehr aufgelöst!
Unser “Zuhause” ist auch der Raum vor dem Haus, das Quartier, die Stadt.

Während die 15 Minuten Stadt noch immer unter der Rubrik Mobilität eingeordnet wird, kommt hier der Faktor Zeit ins Spiel. Wofür brauche ich Mobilität, Verkehr, wenn ich alles, was ich benötige, direkt in meinem urbanen Raum finde.

Hier ist auch der Kern einer Schrift, die bei der Friedrich Ebert Stiftung erschienen ist.

Bormann, René; Gaffron, Philine; Kucz, Ingo
Paradigmenwechsel oder inkrementelle Veränderungen? : Mobilität für lebenswerte und soziale Städte gestalten

Hört sich sperrig an, und zeigt Beispiele aus Hamburg, Shanghai, Seoul und Paris.
Aber dieser kleine Text verändert die Sichtweise auf eine Verkehrswende!

Der Focus liegt auf dem Faktor Zeit!
Der Verkehr ist ein Zeitfresser, es sind die grauen Männer von der Zeitsparkasse, die uns einreden wollen,
wir könnten durch” schneller” Zeit gewinnen!

Michael Ende hat mit “Momo” eine Fiktion erschaffen, die unsere Probleme mit der Zeit, mit unserem Raum, in dem wir mit anderen Menschen leben, anschaulich und emotional zeigt.

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Zeit, Zeit ist die Währung, die wir im Leben zahlen, denn die Zeit ist für jeden begrenzt.
Sie ist zu schade, um sie für Verkehr zu verschwenden.
Hört nicht auf die grauen Herren.

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