Bei der Besetzung des Wahlprüfungsgerichtes in Bremerhaven stoßen Auffassungen aufeinander, wie eine parlamentarische Demokratie funktioniert, funktionieren sollte.

In der Nordsee Zeitung folgende Headline:

Rote Karte für Bremerhavens Stadtverordnete: Landeswahlleiter rügt ihr Verhalten
Der Landeswahlleiter hat die rote Karte gezogen. Dass die Stadtverordneten den Kandidaten von Bündnis Deutschland bei der Wahl ins Wahlprüfungsgericht durchfallen ließen, sei ein klares Foul, teilt er dem Magistrat mit. Es soll ein Nachspiel geben.

NZ 5.10.2023

Der Aufreger?
Die Besetzung des Wahlprüfungsgerichtes!
Ein Gremium, von dessen Existenz wohl die wenigsten in Bremerhaven bis vor kurzem wußten.
Was hat Vorrang:
– die freie Wahl der Mitglieder dieses Gerichtes durch die Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung, freie, unabhängige Mandatsträger?
– oder die Regelung des Wahlgesetzes Bremen, wonach die Stärke der Parteien bei der Besetzung des Gerichtes zu berücksichtigen ist?

Die BD/BIW fühlen sich übergangen, da ihr Kandidat nicht gewählt wurde und berufen sich auf Recht und Ordnung, konkret auf eine Regelung im Wahlgesetz des Landes Bremen.

Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung ( Alpmann):
Die Regelung in §37 Wahlgesetz Bremen (über §47 gilt dies auch für die Stadtverordneten Bremerhaven) zur Besetzung des Wahlprüfungsgerichtes:

….Die Mitglieder der Bürgerschaft und ihre Stellvertreter sind von dieser unter Berücksichtigung der Stärke der Parteien und Wählervereinigungen, wie diese in der Bürgerschaft(StVV) vertreten sind, in ihrer ersten Sitzung zu wählen….”

BremeWahlG

Diese Regelung bedeutet im Ergebnis,
dass eine Wahl stattfinden soll, deren Ergebnis aber bestimmten Voraussetzungen entsprechen muß:
eigentlich also das Wahlergebnis vorher feststehen sollte.
D.h.: Das Ergebnis der Wahl steht schon fest
D.h.: Die Abgeordneten können nicht frei wählen, weil ihre Wahl ja sonst gegen § 37 WahlGBr verstoßen würde.
(Recht und Ordnung nennt das Frau Tiedemann)


Als sich alle Parteien noch auf einer gemeinsamen demokratischen Ebene wähnten, war die Regelung kein Problem.
Das hat sich geändert.



Diese Regelung im Wahlgesetz Bremen verstößt gegen Art 28 Grundgesetz.

Das Prinzip des Art. 28 GG findet sich auch in § 25 der Verfassung Bremerhaven.
Das heißt: Die Freihet der Abgeordneten ist unangreifbar! Wie heißt es in der Verfassung der Stadt Bremerhaven?

Verfassung für die Stadt Bremerhaven
§ 25 Unabhängigkeit (1) Die Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung dürfen sich bei ihrer Tätigkeit ausschließlich durch ihre freie, nur durch Rücksicht auf das öffentliche Wohl bestimmte Überzeugung leiten lassen. Sie sind an Verpflichtungen, durch die die Freiheit ihrer Entschließung beschränkt wird, nicht gebunden.

Verfassung für die Stadt Bremerhaven

D.h.: wenn gewählt wird, müssen sie, die Abgeordneten, sich frei entscheiden können. Das können sie aber nicht, wenn das Wahlergebnis bestimmte Voraussetzungen erfüllen soll.
Und dies Recht, auf eine freie Wahlentscheidung, wird von BD/BIW in Frage gestellt.


Eine pragmatische Lösung:
Das Wahlprüfungsgericht wird ernannt, auf der Grundlage der Vorschläge der Fraktionen.
Besser, ein Wahlausschuss, der ernannt wird und eine Entscheidung der StVV, wenn es notwendig ist.
Dies würde der Regelung auf Bundesebene entsprechen.


Die Diskussion hat aber tief blicken lassen!
Was an dem Streit bemerkenswert ist, ist die Haltung von BD/BIW zu diesen, an sich simplen Grundsätzen der parlamentarischen Demokratie.
Denn, ohne freie Abgeordnete, ohne Abgeordnete, die frei wählen können, wird Demokratie zur leeren Hülle.
Und ab diesem Punkt bekomme ich Gänsehaut.

Viel Spaß beim Video:

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