Update: 16.12.2021


Die Debatte um den Doppelhaushalt war, wenn man AFD und BIW mal beiseite läßt,  ausgesprochen aufgeräumt.
Sicherlich ging es auch etwas “bissig” zu, aber insgesamt zeigt sich eine aufgeräumte KOA und eine konstruktive demokratische Opposition.
Spoiler: Das Thema Nachhaltigkeit und Klima spielte in der Haushaltsdebatte keine Rolle. 

Die Debatte über den Haushalt wurde von Corona überschattet.
Respekt für die Erstellung des Haushaltes, der im Grunde kaum umstritten war. Sönke Allers (SPD) zeigt in seiner detailreichen Rede die Aspekte der Haushaltsbemühungen, Respekt  insbesondere auch für die Berücksichtigung vieler kleinen Initiativen.
Natürlich ist der Haushalt in Corona Zeiten auf Kante genäht, aber er ist realistisch, und es bleibt bei der Förderung vieler sozialen Initiativen in der Stadt. 

Th. Raschen (CDU) deckt in seiner darauf folgenden Rede eher Randgebiete ab.

Claus Schott (GRÜNE) weist auf einen Aspekt hin, der sich auch durch  andere Bereiche der politischen Kultur in der Stadt zieht (z.B. der Innenstadtentwicklung). Bei grundsätzlichen Entscheidungen und Projekten in der Stadt wollen die Koalitionäre unter sich bleiben.
Vielleicht in diesem Zusammenhang etwas bissig, aber im Kern sollte es zu denken geben.

Von AFD und BIW kam im Grunde außer Generalkritik nichts Konstruktives, und keine Kritik, die nicht im Nachhinein widerlegt wurde. Dass hier auf einmal das Thema Impfen auftauchte, hinterließ einen unangenehmen Beigeschmack.

Die Linke weist auf die besondere Situation der prekären Jobs hin, und sieht Bedarf, den Haushalt sozial nachzubessern. Der Bezug zum Haushalt war nicht ohne weiteres zu erkennen.
Prof. Dr. Hilz (FDP) verwies auf die besondere Coronasituation und daß es gelungen ist, einen -verfassungskonformen – Haushalt vorzulegen, der auch die Kultur in der Stadt nicht hängen läßt.

Die Umsetzung eines Jugendparlamentes ist natürlich eine gute Sache, und nun im Haushalt abgesichert.

Zur Kritik der Linken am sozialen Konzept verwies Uwe Papert auf die positive Entwicklung Bremerhavens.

Aber die Stadt wird sich auf eine immer älter werdende Bevölkerung einstellen müssen.

Michael Labetzke zeigt auf den “Elefanten im Raum”:
Das Klima und das Thema Nachhaltigkeit spielte keine Rolle im Haushalt und in den Diskussionen.
Die neue Ausrichtung der Bundes- und Landespolitik kommt in der Stadt nicht an.

Bremerhaven, eine Insel der Klimasarglosen.

Wasserstoffbusse und ÖPNV machen noch keine Klimastadt, sondern sind ein Baustein, mehr nicht und vom Bund geförderte Radwege sind noch keine Verkehrswende.


Update vom 15.12.2021

“Passend” zum u.g. Antrag der Grünen weist Scientists4Future (Link) auf die Erfurter Erklärung (Link) des Deutschen Städtetages hin.
Die 10 Thesen:
Die Städte:
– WOLLEN DIE LEBENSQUALITÄT VOR ORT VERBESSERN
– WOLLEN DEN GESELLSCHAFTLICHEN ZUSAMMENHALT SICHERN
– WOLLEN DEN KLIMASCHUTZ NOCH STÄRKER VORANTREIBEN
– WOLLEN WIRKSAMER UMSTEUERN IN DER VERKEHRSPOLITIK
– WOLLEN DIE RAHMENBEDINGUNGEN FÜR LEBENDIGE ZENTREN SETZEN
– WOLLEN MEHR BEZAHLBAREN WOHNRAUM SCHAFFEN
– WOLLEN BILDUNGSCHANCEN UND CHANCENGERECHTIGKEIT SICHERN
– WOLLEN INNOVATIVE UND MODERNE DIENSTLEISTER SEIN
– WOLLEN IHRER ROLLE IN EUROPA UND DER WELT GERECHT WERDEN
– BRAUCHEN FÜR ALL DIESE ZIELE STABILE FINANZEN UND ENTSCHEIDUNGSSPIELRÄUME.

Mit einigen Punkten dürfte die jetzige Koalition Probleme haben.


Man merkt der Tagesordnung der StVV vom 16.12.2021 an, daß sich das Jahr dem Ende zuneigt.
(Link)
Aber ein Antrag sticht hervor: der Antrag der Grünen PP unter Top 4.2.

Bremerhaven – klimaneutral bis 2045: Die Wirtschaft und den kommunalen Haushalt schützen und Lock-in-Effekte benennen (GRÜNE PP)

“OK, nicht schon wieder so ein Klimaantrag der Grünen!”… höre ich schon das Plenum stöhnen. Die Sache ist ernster.
Der Antrag müßte überflüssig sein.
Warum?
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die Klimaentscheidung, wirkt bis auf die unteren Verwaltungsebenen. (§ 31 I BVerfGG)
Alle Entscheidungen von Verwaltungen und städtischen Organen müssen sich daran messen lassen.
Das Klimaschutzgesetz 2.0 ist nicht aus der Einsicht der seinerzeit Verantwortlichen entstanden ( …die auch heute noch wirken dürfen), sondern als Folge der Entscheidung des höchsten deutschen Gerichtes.

Würde die StVV dem Antrag der Grünen PP folgen, so müßte sie feststellen, daß sie sich an Recht und Gesetz halten muß. Da dies, von Amts wegen, sowieso ihre Pflicht ist, zielt der Antrag auf eine “Selbstverständlichkeit” ab.
War er notwendig?
Ja!
Es sollte zu denken geben, daß solch ein Antrag in der Form überhaupt gestellt werden muß.
Man kann ihn als “Erinnerung” verstehen, daß alle Entscheidungen der Organe der Stadt dem Recht und dem Gesetz unterworfen sind, und somit auch der Entscheidung des BVerfG.

Das Land Bremen hat schon 2018 in einem Papier Richtlinien für eine Klimaanpassungsstrategie erstellt (Link). Das Dokument kann unter (Link) geladen werden.

Unter den Schlüsselmaßnahmen BHV 6 ff. finden sich Handlungsanweisungen für die Stadtplanung.

Aktuell:
Wer jetzt noch einmal die NZ vom 4.12.2021 aufschlägt (Link) und sich die Pläne für das Werftquartier anschaut, wird feststellen, daß vom “Kopenhagen – Geist” (Link) der Wettbewerbsbeiträge nicht viel übrig geblieben ist.
Mit Klimastrategie hat die aktuelle Planung nicht viel zu tun.
Das wird noch ein Thema bei den nächsten Schritten sein.
Die Stadt scheint ihre Gestaltungs-Souveränität aufgegeben zu haben.
Die ganze Entwicklung ist aber auch ein Beleg dafür, wie wichtig ein Klimacheck nach den Richtlinien der BVerfG Entscheidung für solche Projekte ist.


Der zweite Aspekt des Antrags der Grünen/PP zielt auf Lock-Inn Effekte.
Diese waren schon Thema auf der letzten Sitzung des AK Klimaschutz vom 3.11.2021.
Dr. Nicola Jager stellte in seinem Vortrag seine Forschung zu diesem Thema vor. (Link)

Warum sind politische Organe und Verwaltungen oft gefangen in “Teufelskreisen” und tappen in selbst gestellte Erwartungsfallen?
Das Thema betrifft viele Kommunen.
(Die Diskussion um die Columbus Straße ist ein schönes Beispiel für diese Denkmuster)
Die Zeiten ändern sich rasant und in Bremerhaven haben sich die Hafenbetreiber und die Wirtschaft dem Problem Klimawandel und Klimarisiken schon längst gestellt: sie haben die Herausforderungen angenommen.
Wenn die BLG sich Klimaneutralität bis 2030 auf die Fahnen geschrieben hat, dann sollte das Ziel Klimaneutral bis 2045 für die Stadt nicht unerreichbar sein.

Der Antrag der Grünen kommt so harmlos daher, birgt aber Sprengstoff.
Warten wir die Diskussion ab!


Auch die Presseerklärung der Grünen vom 14.12.2021 zum Haushalt zeigt die Omnipräsenz des Themas:

Am kommenden Donnerstag wird die Stadtverordnetenversammlung über den Doppelhaushalt für die Jahre 2022 und 2023 beraten. Die Fraktion DIE GRÜNEN PP hat einen Änderungsantrag zum Haushaltsentwurf des Magistrats eingebracht. In diesem Zusammenhang fordern DIE GRÜNEN PP mehr Klarheit bei der Haushaltsaufstellung und deutlich mehr Anstrengungen bei Klimaschutz und Klimaanpassung.

„Wir arbeiten hier mit Zahlen, die zum Teil nicht viel mit der Realität zu tun haben“, meint der finanzpolitische Sprecher von GRÜNE PP, Claas Schott. „Was uns die Kämmerei vorlegt, scheint nicht mit der Koalition abgestimmt zu sein. Woran das liegt, kann ich nicht sagen. Aber es sollte doch klar sein, dass wir alle langfristig von einer besseren Zusammenarbeit profitieren würden. Das Problem ist schon seit Jahren bekannt, wird politisch aber ignoriert. Dabei geht es wohlgemerkt nicht darum, Mittel zu kürzen, sondern darum, sie sinnvoll und transparent einzusetzen und zu überprüfen, ob wir mit unserem Geld auch das erreichen, was geplant war. Wir appellieren an die Koalition, dieses komplizierte und vielleicht unpopuläre Thema anzugehen. DIE GRÜNEN PP stehen für eine Zusammenarbeit bereit.“

Fraktionsvorsitzende Doris Hoch geht auf die konkreten Änderungsvorschläge ihrer Fraktion ein: „Wer heute dem Klimawandel nicht offen in die Augen sieht, wird morgen böse Überraschungen erleben. Wir müssen hier vor Ort mehr tun, sowohl um CO2-Emmissionen zu reduzieren als auch um unsere Stadt gegen die Folgen des Klimawandels zu schützen. Ob Verkehr oder Gebäudeenergie, ob Extremwetterereignisse oder heißere Sommer. Es kostet Geld, dem Klimawandel zu begegnen. Und je später wir damit anfangen, umso teurer wird es. Darum schlagen wir vor, in den nächsten beiden Jahren global jeweils 3 Millionen Euro für Klimaschutz und Klimaanpassung in den Haushalt einzustellen. Das ist ganz neu für Bremerhaven, das ist uns bewusst. Wir möchten damit ein Zeichen setzen, dass wir diese Herausforderung so ernst nehmen, wie sie ist. Außerdem fordern wir deutlich mehr Geld für den Radverkehr, dem wir mit jährlich knapp einer Million Euro ebenfalls einen echten Schub verleihen möchten.“

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