Die Ziele der Kommission sind sehr ambitioniert.
Der Bericht der Enquetekommission „Klimaschutzstrategie für das Land Bremen“
[Quellen unter LINK] ist ein “dickes Brett”, und bei aller Kritik, die ich dazu noch äußern werde: er ist in der aktuellen politischen Situation im Bund und im Land eine respektable Leistung. An diesem Bericht kommt keine Politik vorbei. Er listet detailliert und mit vielen Quellenangaben Sollbruchstellen und Strategien auf, die wir zur Bewältigung der Klimakrise meistern müssen.
Mehrere Veranstaltungen haben sich in letzter Zeit in Bremerhaven mit dem Bericht beschäftigt:
der AK Klimakreis der Stadt am 25.4.2022
mit den Themen:Kernergebnisse der Enquetekommission, „Klimaschutzstrategie für das Land Bremen“ Martin Michalik, Vorsitzender der Klima-Enquetekommission, MdBB (CDU)
und “Der Weg zu einer klimaneutralen Wärmeversorgung in Bremerhaven”
Eric Lamvers, Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und
Energiesystemtechnik IEE
die Podiumsdiskussion des Vereins Literatur und Politik am 6.5.2022
mit Martin Michalik (CDU), Arno Gottschalk (SPD) Philipp Bruck (Grüne), Klaus Prietzel (BUND) Dr. Susanne Gatti (Dezernentin Umweltschutz) und Kolya Strauss Suhr (FFF)
Michael Michalik war bei beiden Veranstaltungen anwesend und berichtete, wie schwierig es war, eine solche Kommission ohne Vorbilder zu etablieren, und die verschiedenen Parteien zu einem gemeinsamen Abschlussbericht zu führen.
Es ist wirklich eine reife Leistung, daß sich die Parteien mit ihren, zum Teil sehr speziellen Vorlieben, auf die Sondervoten ( ab S. 292) zurückgezogen haben, um den gemeinsamen Bericht zu ermöglichen.
Als ich Michael Michalik, Arno Gottschalk und Philipp Bruck am 6.5. gehört habe, drei der Protagonisten des Berichtes, wurde mir klar, wie engagiert alle drei jenseits der Parteigrenzen an dem Bereich Klima gearbeitet, und wie weit sie sich aufeinander zubewegt haben.
Ich will hoffen, das wird in ferner Zukunft auch in Bremerhaven möglich sein, wo man sich in einem lächerlichen Streit um einen kleinen Straßenabschnitt festbeißt.
Ein bisschen Asphalt als politisches Symbol und Kandidat für ein Wahlkampfthema.
Kaum zu glauben. So wird Politik bald nicht mehr ernst genommen.
Bremerhaven könnte eine Modellstadt für Klimapolitik sein.
Aber davon ist die Stadt noch meilenweit entfernt.
Zurzeit sieht es bei den neuen Bauprojekten nach einem “Weiter so, wie immer” aus.
Von Visionen, Richtung Klima, keine Spur.
Anders die Politiker, die sich für den Bericht zusammengerauft haben.
Aber:
Wir haben in Deutschland eine ziemlich gute Klimarhetorik. Wir neigen dazu, uns wiederkehrend zu erzählen, was wir alles noch machen wollen. So oft, bis wir denken, wir hätten es schon getan!
Sven Plöger https://www.facebook.com/wdr2/photos/a.192960030736713/5434532149912782/
Was sind die Ziele der Kommission?
Senkungen der Treibhausemissionen bis
2030 um 60%
2038 um 85 %
jeweils bezogen auf 1990
Wenn man die Ziele und auch die Zwischenziele liest, muß man immer im Auge behalten:
2030 schließt sich das Zeitfenster.
Was sagt die Wissenschaft?
Es lohnt sich Prof. Otto Pörtner, vom AWI Bremerhaven, zu hören, der darauf hinweist, daß sich das Zeitfenster 2030 schließt.
Was ist mit Bremerhaven
Bremerhaven spielt in dem Bericht nicht die Rolle, welche die Stadt an sich einnehmen sollte.
Gerade mal 48-mal wird Bremerhaven in dem Bericht erwähnt, während Bremen mit 880 Erwähnungen die Hauptrolle spielt.
Die Bedeutung des Hafens wird kaum erkannt. Er spielt nur unter “ferner liefen” eine Rolle, wenn man den Umfang der Ausführungen zum Hafen mit denen zum Stahlwerk in Bremen vergleicht.
Nicht erkannt wird die Rolle des Hafens als Drehkreuz für alternative Energieträger, diese Rolle möchte Bremen lieber selbst einnehmen. (S.71).
Bremen und Bremerhaven können beim Thema Verkehr nicht miteinander verglichen werden. Es gibt zu Bremerhaven kaum belastbare Untersuchungen zum Thema Verkehr. So wird die Mobilitätsbefragung aus 2015 herangezogen, die im Bericht aber kaum eine Rolle spielt.
( S.145).
Bremerhaven wäre beim Thema Verkehr gerne dort, wo Bremen schon ist!
Die Stadt steht noch ganz am Anfang! Das kann man auch als Chance sehen.
Das Thema Wasserstoff nimmt im Bericht einen breiten Raum ein.
Leider werden andere alternative Energieträger nur unzureichend behandelt
(siehe Workshop zum Hafenkonzept z.B. das SHARC Projekt [LINK] )
Die Bedeutung des Überseehafens in Bremerhaven wird etwas unterschätzt.
Das SHARC Projekt wird erwähnt, aber die Informationen nicht genutzt.
(z.B. der Einsatz von Biogas als Energieträger im Hafen, Container als Transportbehälter für Wasserstoff)
Die FAZ [LINK] und heise.de [LINK] berichten über die Pläne des neuen Hafenverbundes Antwerpen-Brügge.
Der Hafenchef Jacques Vandemeiren sieht für LNG keine große Zukunft.
Er sieht die Häfen als Importhotspots für Wasserstoff und als Exporthotspots für CO2, also für abgesondertes CO2, das in CSS Verfahren von der Industrie erzeugt wird.
CSS Verfahren werden auch von Antje Boetius als eine Stellschraube gesehen, um CO2 aus der Atmosphäre zu filtern.[LINK].
Genau hier will der Hafen Antwerpen-Brügge ansetzen:
Wasserstoff importieren, CO2 exportieren.
Der Hafen will in diesem Zyklus eine zentrale Rolle einnehmen.
Hier könnte auch der Hafen in Bremerhaven eine wichtige Rolle spielen, als Logistikdrehkreuz für Industriezweige, die ihr CO2 absondern und exportieren wollen.
Das Thema Wasserstoff wird von der Kommission nicht stringent behandelt.
So wird der Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur für die Industrie gefordert ( S.38) gleichzeitig soll aber das Gasnetz zurückgebaut werden (S.49).
Es existieren reichlich Initiativen, die Wasserstoff auch im nichtindustriellen Wärme- und Energiebereich einsetzen wollen [LINK]. Wasserstoff wird schon lange nicht mehr als “Champagner” behandelt.
Der Vortrag von Dr. Nils Meyer Larsen auf dem letzten Workshop zum neuen Hafenentwicklungskonzept hat gezeigt, daß es mittlerweile mehr Länder gibt, die sich als Wasserstoff-Exporteure sehen, als Länder, die sich als reine Importeure begreifen.
Also eher Bier als Champagner.
Die Kommission kann und soll Impulse geben, und das hat sie getan.
1. Klimaneutralität!
Was wird darunter verstanden?
2. Klimarisiko:
Wird es nicht gesehen?
3.Umsetzungsdefizit:
Warum tut niemand etwas?
4. Vorbildfunktion der Kommune und Bürgerbeteiligung:
Was macht die Zivilgesellschaft?
1. Klimaneutralität:
Die Klimakrise ist eine Ressourcenkrise
Graue Energie
Die Frage der Ressourcenkrise ist der weiße Elefant, der sich durch den ganzen Bericht zieht
Am 4.5.2022 war der Earth Overschot Day, der Tag, an dem wir aus der Substanz leben.
Wir verbrauchen zur Zeit 3 Erden. [Der Spiegel berichtet][Claudia Kemfert]
Wie Klimaneutralität von der Enquete aufgefasst wird, zeigt sich insbesondere bei zwei Themen: Bauen und Verkehr.
Der Focus wird fast ausschließlich auf die Energiefrage gerichtet.
Dies ist natürlich auch dem politischen Auftrag geschuldet, der Grundlage für die Arbeit der Kommission war( S.8 und 9). Dieser Auftrag zielte auf die Möglichkeiten ab, wie Energie eingespart, und die CO₂-Emission reduziert werden können.
Die Kommission ist in ihrem Bericht, zum Glück, über diesen engen Auftrag hinausgegangen.
Auch die EU hat diese zwei Themen, Bauen und Verkehr, in ihrem “Fitfor55” Programm in den Focus gerückt.[LINK]
Bauen
wird im Bericht ab S.97 mit den Zielvorgaben behandelt:
– Wärme, Stromversorgung
– Sanierungstiefe- und Quote
– Neubauten als Pluseneriegebäude
– Effiziente Nutzung von Bau und Wohnflächen
– kurze Wege
– Klimaanpassung
Es wird detailliert und zutreffend wohl jede Art und Möglichkeit beschrieben, wie Energie in welcher Form auch immer eingespart, oder erzeugt werden kann.
Aber, nur am Rande wird das eigentliche Problem behandelt:
Bauen ist ein Ressourcenfresser, sowohl der Neubau, als auch der energieeffiziente Umbau.
[DW über Ressourcen] [BUND][Quarks]
Architect for Future haben mit ihren Forderungen die Problematik zusammengefasst:
[LINK]
1. Hinterfragt Abriss kritisch
2. Wählt gesunde und klimapositive Materialien
3. Entwerft eine offene Gesellschaft
4. konstruiert kreislaufgerecht
5. vermeidet Downcycling
6. Nutzt urbane Minen
7. Erhaltet und schafft biodiversen Lebensraum
Im Bericht der Enquete tauchen diese Probleme nur beim Thema effiziente Nutzung der Flächen, (S. 103 ) auf. Auch unter der Überschrift: “Klimaanpassung” wird dies Thema unter dem Schlagwort “verträgliche Dichte” kurz angerissen. ( S.106)
Hier taucht auch eine der Stellschrauben auf, mit denen man die Bau-Aktivitäten der Kommunen überwachen könnte:
Die Klimabilanz von Neubauten muß mitgedacht werden.
Dies zu erfassen folgt schon aus der Logik der “Fitfor55” Pläne!
Wieviel CO₂ wurde freigesetzt?
Wie sieht der Klimafußabdruck der Neubaumaßnahme aus?
Kann der Klimafußabdruck kompensiert werden, durch Neuanpflanzungen, durch Moore, die als Senken dienen könnten?
Welche zwingenden Gründe gibt es für einen Neubau?
Leider im Bericht nicht thematisiert.
Das ist das Handwerkszeug jeder Stadtplanung im Jahr 2022, wenn sie sich wirklich als solche versteht, und nicht nur als Vollstreckungsinstitution für Investorenpläne.
Ich habe bei der Vorstellung der Pläne für das Werftquartier nachgefragt:
Wie sieht es mit dem Klimafußabdruck des Projektes aus?
Kein Thema für Politik, Investoren und Planer!
Soviel zur Klimaneutralität des Wertquartiers eines der sog. “Leuchtturmprojekte” in Bremerhaven.
Dies Projekt in Bremerhaven zeigt, welche Auswirkungen es hat, wenn Klimaneutralität nur über die Energiefrage gedacht wird, und nicht über die Ressourcenfage.
Der Begriff Klimaneutralität wird verkürzt, um vom eigentlichen Problem abzulenken:
Die Frage des “OB” und des “WIE des Bauens!
Deutlich angesprochen wird diese Frage nur im Sondervotum der Grünen auf S. 308.
Das Mantra: Städte müssen wachsen; Bauen, Bauen, Bauen muß hinterfragt werden.
Die Architects of Future fassen dies zusammen:
Entwerft für eine offene Gesellschaft!
Viele Bauentscheidungen werden im Hinblick auf finanzielle Entwicklungschancen getroffen. Der Komfort und die Nutzung der Räume werden sekundär betrachtet, zugunsten einer Gewinnoptimierung der Investoren. Wir sollten uns wieder die Frage stellen, für wen wir eigentlich entwerfen und bauen.
Den Beteiligten in der Diskussionsrunde am 6.5 ist das Problem des Fokussierung auf die Energiefrage bewußt, so ausdrücklich Arno Gottschalk und Detleff Bruck.
Auch im Bereich Bauen, und Sanierung bleiben noch viele Fragen und Widersprüche im Bericht offen. So wird, wie oben schon erwähnt, für die Industrie der Ausbau des Gasnetzes aka H2 Netzes gefordert, für die private Wohnungswirtschaft aber einen Abbau der
Gas-Netze ( S. 60)
Ein Rückbau der Gasnetze wäre keine kluge Idee, da es Projekte gibt, die PtX zusammen mit LNG oder Erdgas für die Beheizung von Wohnungen einsetzen. [LINK]
Dieser Themenkreis wurde auf der Veranstaltung am 25.4. angesprochen. Ein Vertreter von EWE wies darauf hin, daß man die Gasversorgung nicht so einfach zurückbauen könne.
Hier zeigt sich auch ein Problem des Berichtes, wenn er sich auf konkrete technische Lösungen bezieht: diese Lösungen ändern sich aktuell durch eine Dynamik, die der Ukraine-Krieg ausgelöst hat, fast täglich.
Graue Energie
Der Bericht ist weitestgehend blind gegenüber der grauen Energie, die in vorhandenen Gebäuden, im Bestand, steckt.
Eine Übersicht unter [LINK],
die Leitlinie des BMI[LINK -> pdf]
und die Leitlinien der Architekts für Future (s.o.)
und German Architekts [LINK].
Ein Beispiel, wie unsere Nachbarstädte mit dem Thema umgehen zeigen folgenden Videos,
in Bremerhaven ist das Thema keiner Diskussion würdig.
Abriss darf nur die letzte Option sein!
In Bremerhaven ist das Thema keiner Diskussion würdig.
Aber auch das “Wie” des Bauens muß stärker in den Focus gerückt werden:
Das Thema sieht der Bericht, es rückt gegenüber der Nutzungsenergie aber leider nicht in den Focus: das ist ein Fehler!
Eine Gebäude muß über seinen gesamten Lebenszyklus bis zum Abriss betrachtet werden.
“Nachhaltig Bauen heißt, den Lebenszyklus von Immobilien von Beginn an mitdenken” [LINK]
Der Vortrag von Prof. Werner Sobeck aus dem Jahr 2019 ( ZEIT Wissen) macht es deutlich, (ab Minute 24 über graue Energie)!
Wir “schrauben” an der Nutzungsenergie, aber die graue Energie, die wir beim Bau eines Gebäudes einsetzen, macht 55% des Energieverbrauchs aus, die wir beim Bau sofort umsetzen.
Die Wirkung des Energieeinsatzes für das Bauen hat den Faktor 2,7 gegenüber der Nutzungsenergie, über die wir uns momentan soviel Gedanken machen.
Egal wie wir die Nutzungsenergie einsetzen, diesen anfänglichen Impact können wir kaum aufholen.
Zitat: Es ist wesentlich effektiver anstelle des Energieverbrauchs in der Nutzungsphase die graue Energie zu reduzieren, mit weniger Material recycelbar in der Konstruktionstechnik, mit wenig grauer Energie für mehr Menschen bauen.
Mit weniger Material für mehr Menschen bauen oder
built less for more
Das geht aber nur, wenn die Kommunen diese Grundsätze von Anfang an in ihre Bauleitplanung mit einbeziehen.
In Bremerhaven sieht es nicht danach aus! So werden die Gebäude des alten Finanzamtes ohne ersichtlichen Grund abgerissen, weil man momentan keine andere Idee hat, soll daraus eine Rasenfläche werden. Eine weitere Nutzung wird nicht einmal in Erwägung gezogen. Man will was neues Bauen!
Genau diese Haltung sollte im Jahr 2022 keine Option für Kommunen sein.
Verkehr
ist zum Hauptproblem des Klimaschutzes geworden.
Beim Thema Verkehr: die gleiche Problematik wie beim Thema Bauen:
Klimaneutralität und Ressourcenverbrauch werden nicht zusammen gedacht.
Die Süddeutsche berichtet am 7.5.2022 im Zusammenhang mit dem Earth Overshot Day über den Ressourcenverbrauch des Verkehrs [LINK].
In dem Bericht findet sich auch der Hinweis auf eine aktuelle Studie schwedischer Forscher [LINK].
Die Forscher untersuchten das eigentliche Problem des Enquete-Berichtes:
Pull and Push Maßnahmen: Gebote und Verbote, oder besser “Do and Do not” Maßnahmen.
Was funktioniert?
Die schwedischen Forscher haben herausgefunden, daß “Pull” Maßnahmen gut sind,
“Push” Maßnahmen aber besser funktionieren, wie z.B. eine City-Maut.
Auch dies ist den Beteiligten der Enquete bewusst.
Konsequenten scheitern an ihren Parteien, bzw. an deren Selbstverständnis.
Als Beispiel: das Sondervotum der SPD (S.297):
Das Pendlerproblem im Land wird erkannt, leider aber nicht die Konsequenzen daraus gezogen.
Die SPD setzt fast vollständig auf Elektromobilität und hofft durch eine Verbesserung des ÖPNV, dass viele Menschen den Umstieg vom Auto weg auf alternative Verkehrsmittel vollziehen.
Dieses Bild ist verzerrt. Der Bericht der Enquete verweist auf die
“Stadt der kurzen Wege”, also das Leitbild der autoarmen Stadt(S.98).
Das Sondervotum der SPD geht aber vom Primat der bedingungslosen Mobilität ( …aber bitte elektrisch) aus.
Gleichzeitig wirbt die SPD als Partei mit der “10 Minuten Stadt”, deren eigentliches Leitbild
die “15 Minuten Stadt” Barcelona ist, also eine Stadt mit autofreien Quartieren. [LINK]
Das ist alles nicht so wirklich überzeugend durchdacht.
Man will Everybody’s Darling sein: Klimaschutz OK, aber er darf nicht wehtun!
Damit steht die SPD nicht alleine da! CDU und FDP sind auch nicht besser, und die Grünen leider nicht konsequent genug.
Die SPD habe ich als Beispiel gewählt, weil sie mit ihrer Kampagne der “10 Minuten Stadt” suggeriert, in die richtige Richtung zu gehen. Aber, offensichtlich ist das nur als Wahlkampfthema gedacht, denn eine 15 Minuten Stadt ist eine Stadt der Fußgänger und Radler, und keine Stadt der Autofahrer.
Das eigentliche Problem wird deutlich durch eine Episode, die beim Workshop zum Hafenkonzept geschildert wurde:
Die BLG will bis 2030 klimaneutral werden. Sie hat ein Problem: die vielen Pendler.
Diese meinen nicht auf das Auto verzichten zu können, da das Angebot von Bremerhaven Bus nicht ausreicht.
Bremerhaven Bus meint, das Angebot nicht ausweiten zu können, da kein Interesse besteht.
Fast alle aktuellen Studien weisen darauf hin, dass es ohne Einschränkungen des MIV nicht geht.
Der MIV ist ein Klimaproblem. Und auch eine Entwicklung hin zum Elektroauto kann die grundsätzlichen Probleme des automobilen Verkehrs nicht lösen:
die ungerechte Flächeninanspruchnahme,
die Emissionen und
den Ressourcenverbrauch, denn der Aufbau einer Flotte von Elektroautos ist ressourcenintensiv.
Hierbei geht es nicht um die Frage E-Auto oder Verbrenner [LINK], sondern um die Frage
E- Auto oder Kein-Auto!
Nach einer aktuellen Studie des HUK wollen die Deutschen nicht auf das Auto verzichten [LINK]
Zitat aus der Studie:
“…….Als weitere Sorgen genannt wurden unter anderem ein Verlust an Individualität und Selbstbestimmung bei der Auswahl der Fortbewegungsmittel (22 Prozent), ein Verlust an Freiheit und Spontaneität beim Unterwegssein (21 Prozent) sowie berufliche und wirtschaftliche Notwendigkeiten, die außer Acht gelassen würden (20 Prozent). Nur 18 Prozent der Befragten äußerten die Sorge, dass der Umweltschutz zu kurz kommen könnte.”
Im Klartext, Klima ist kein Thema!
Dieser Konflikt wird beim Thema Bauen entschärft, da es dort viel Beratung gibt, und eben viel Förderung für die Klimaneutralität des Bestandes.
Beim Verkehr wirken Subventionen wie die Pendlerpauschale und Kaufprämien für Neuwagen genau in die falsche Richtung.
Das UBA versucht schon lange, die Politik zu überzeugen, umzudenken![LINK]
Zum Thema Verkehr gehört in Bremerhaven auch der Überseehafen, bzw. die Häfen in Bremerhaven. Sie werden vom Bericht zum Teil der Industrie zugeordnet, was ihrer eigentlichen Bedeutung nicht vollständig entspricht.
Um Wiederholungen zu vermeiden, verweise ich auf die Ausführungen zur Modernisierung des Überseehafens in Bremerhaven. [LINK]
Kurz: Die Stakeholder sind bei Fragen der Energieeinsparung und der alternativen Energieformen viel weiter als die Politik, und sie legen sich nicht von vornherein auf bestimmte Techniken fest.
Die Häfen sind Logistikdrehkreuze.
Leider spielt das im Bericht keine herausragende Rolle.
Zum Hafenkonzept gehört auch die Erkenntnis, dass ein nachhaltiger multimodaler Transport für die Verkehrswende unabdingbar ist, d.h.:
60/25/15 -> Schifffahrt/Schiene/Straße [LINK]
für die Verkehrswende unabdingbar ist.
Die Bedeutung des Binnenschiffsverkehrs wird erkannt, aber nicht die Wichtigkeit der Hinterlandanbindung. Dies wird z.B. in Rotterdam durch eine bessere digitale Vernetzung vorangetrieben.
Wie der aktuelle Hafenspiegel von Bremenports zeigt [LINK ->pdf] (S.40) spielt der Binnenschiffsverkehr eine untergeordnete Rolle.
Diese Einbeziehung des Hinterlandes bei der Logistik findet sich bedauerlicherweise nicht im Bericht der Enquete. [LINK] Diese Frage wurde in den Workshops zum Hafenkonzept in den Mittelpunkt gestellt. Niels Schnorrenberger wies immer wieder darauf hin, daß man Hafen und Hinterland zusammen denken muss. Auch hier verweise ich auf die Ausführungen zum Hafenkonzept.
2. Klimarisiko
Gem. dem Auftrag an die Enquete Kommission, sollten das Thema Klimarisiko und selbst das Thema Klimaanpassung keine Themen der Kommission sein. (S.8)
Dies zeigt, wie wenig diese Themen bei der Politik angekommen sind.
Eine Zusammenfassung der Klimarisiken für Deutschland hat das UBA zusammengestellt [LINK]
Ich habe lange in Münster gelebt, und die Unwetterkatastrophe 2014 miterlebt.[LINK]
Niemand hat es kommen sehen. Ich hatte ein Déjà-vu, als auf meine Frage: wie steht es denn mit der Untersuchung von Klimarisikomaßnahmen in Bremerhaven, nur beschwichtigende Aussagen kamen: Wird schon nichts passieren, so Melf Granz bei der Vorstellung des Werftquartiers.
Eine weitere Sollbruchstelle des Enqueteberichtes liegt gerade hier.
Dieser spricht immer von Klimaanpassung, das hört sich freundlich an, trifft aber nicht den Punkt. Was der Bericht unter Klimaanpassung versteht, wird auf S.98 zusammengefasst.
Mit Klimarisiko hat das wenig zu tun.
Ein Risiko kann schnell zur Gefahr werden!
Wir haben ein Problem mit den Auswirkungen des Klimawandels: Hitze, Extremwetter und Wassermassen, die wir nicht mehr beherrschen können.
Bremerhaven liegt am Wasser und ist diesen Risiken besonders ausgesetzt. [LINK]
Es wird ignoriert, daß Bremerhaven so eng mit den Häfen verbunden ist, daß viele Gebiete, wie zum Beispiel das Werftquartier, letztlich wie ein Hafen behandelt werden müssen.
Ich verweise auf die Studie der Uni Bremen, die sich mit dem Thema beschäftigt:
“Wie wirkt sich der Klimawandel auf die Häfen aus”. [LINK]
Bericht über den Meeresspiegelanstieg [LINK]
Die Karte des “Nordeutsches Klima und Küstenschutzbüro” [LINK]
Dieses Risiko, die zu erwartenden Extremwetter, Dürreperioden, die sich auf die Deiche auswirken, Stürme, die alles bisher dagewesene vergessen lassen, und dann Dockhäfen, die auf Technik angewiesen sind, und ansonsten wie Badewannen funktionieren.
Dieses Risiko sollte mehr Beachtung bekommen.
Aber, alles kein Thema für die Stadt Bremerhaven.
Die Kommission sieht schon das Problem der Extremwetterwetterlagen, und wie diese auf das Stadtklima auswirken, aber bedauerlicherweise wird dies nicht als Risiko begriffen.
Die Wissenschaft sieht das anders [LINK]
Bremerports stellt sich auf diese Risiken ein.
Die Aufgabe von Lena Lankenau von Bremenports macht deutlich, daß Klimaanpassung eine Daueraufgabe für die Häfen ist. (Link)
Sie verweis auf das Papier
Klimaanpassungsstrategie für Bremen.Bremerhafen
und auf die Papiere von
PIANC, The World Association for Waterborne Transport Infrastructure
auch unter:
https://lennyslaterne.de/2021/12/11/machen-wir-bremerhaven/#Klimawandel
Sie hat die Ergebnisse in ihrem Papier “Klimawandelanpassung von Seehäfen” [LINK] zusammengefasst. Ein Beispiel aus Baltimore zeigt, wie sich andere Häfen dem Problem stellen [LINK]
Die Häfen stellen sich dem Klimarisiko, Bremerhaven ist zuversichtlich: da passiert schon nix! Ich habe bei der Präsentation der Pläne für das Hafenquartier extra nachgefragt:
Es gibt kein Klimarisikokonzept. Da war ich sprachlos, und das will was heißen!
Aber nicht nur die Häfen, die Stadt wird sich auf Extremwetter einstellen müssen, Klinkerfassaden und große gepflasterte Flächen sind fatal bei hohen Temperaturen, aber beliebt bei den Bauträgern.
Nicht nur Dachbegrünungen, auch die Begrünung der Fassaden muß angedacht werden. Nicht nur bei Neubauten, sondern auch bei Bestandsbauten.
Das ist keine OPTION, sondern sollte als Thema der Gefahrenabwehr gesehen werden [LINK -> pdf] [LINK]
Aber, das müssen Kommunen von Anfang an in ihre Planungsziele einbeziehen.
In Bremerhaven: kein Thema!
3. Umsetzungdefizit
Das Papier verweist an mehreren Stellen darauf, daß es Aufgabe der Kommunen ist, das Thema Klima in die Stadtentwicklung einzubringen. (S.127).
Es wird eine klimagerechte Stadtentwicklung gefordert (S.108)
Das Thema Verkehr ist in Verkehrsentwicklungsplänen zu behandeln (S. 136)
Bremerhaven hat aktuell einen neuen Versuch unternommen, einen Verkehrsentwicklungsplan (VEP 2040) auf die Beine zu stellen, da der letzte Versuch im Sande verlaufen ist (VEP 2030).
Leider werden die einzelnen Stadtteilkonferenzen der Stadtteile nicht eingebunden, und die Roadmap sieht nach einer langen Wegstrecke aus.
Es würde ausreichen, wie der Bericht es fordert (S.141), die gesundheitsrelevanten Daten von Lärm und Emissionen zu erfassen.
Es gibt in Bremerhaven eine Lärmkartierung. Bedauerlicherweise werden daraus keine Konsequenzen für den Straßenverkehr gezogen.
Es fehlt in Bremerhaven an Einrichtungen, die der Bericht unter dem Stichwort Controlling zusammenfasst. ( S.279 ff).
Es ist die Aufgabe der Stadt Bremerhaven, neutrale Kontrollorgane einzurichten. Die Bauleitplanung beschäftigt sich mit dem Thema nur im gesetzlich vorgeschriebenen Maß.
Beispiele, wie es besser geht, gibt es in anderen Städten genug [LINK] [UBA] [Aachen]
4. Vorbildfunktion der Kommune und Bürgerbeteiligung
Der Klimabericht beschreibt in vielen Passagen die Vorbildfunktion der Kommunen ( S.288)
Dies bezieht sich auf die eigenen Gebäude, aber auch auf das eigene Verhalten.
Auf der Veranstaltung am 6.5.2022 wies Dr. Schmeck Lindenau ( ADFC) darauf hin, daß hierbei in Bremerhaven noch viel Luft nach oben ist, da Melf Grantz offensichtlich eher das Dienstfahrzeug bevorzugt. Dr. Gatti konnte den Magistrat verteidigen, und wies auf viele Fahrradkilometer hin. Aber, die Sache ist Ernst:
Die Vertreter der Kommune haben eine Vorbildfunktion, und diese wird in Bremerhaven nur vereinzelt ausgeübt. Eine klimabewußte Politik, die sich auch so nach außen zeigt, könnte eine Signalwirkung haben, in einer Autostadt.
Der Bericht weist auf mehrere Formen von Klimabeiräten hin.
In der Veranstaltung vom 25.4. wies Eric Lamvers, Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE, auf den Klimaschutzbeirat in Kassel hin [LINK]
Jochen Hertrampf wies, am 6.5.2022 ,per Zoom zugeschaltet, auf Bürgerräte hin, als eine Form der Bürgerbeteiligung beim Thema Klima.
Ich habe schon reichlich zu dem Thema Bürgerbeteiligung geschrieben.
[LINK]
Alle Möglichkeiten sind ein Gewinn für die Kommunen, obwohl ich persönlich die Planungszellen [LINK]bevorzuge, da sie sich auf einzelne Projekte beschränken und somit nicht in die Versuchung kommen, eine parallele politische Fraktion aufzubauen.
Sie sind ein vielfach bewährtes, effektives Verfahren. [UNI Wuppertal]
In Bremerhaven sind es die Stadtteilkonferenzen, die aber keine rechtlichen Möglichkeiten haben, ihre Positionen durchzusetzen. Sie können Impulse geben, und tun dies auch.
FAZIT:
Der Bericht der Klima Enquete Kommission kann nicht hoch genug bewertet werden. Die Kommunalpolitik wird daran nicht vorbeikommen. Aber:
Es fehlt eine Definition der Klimaneutralität, die den Ressourcenverbrauch einbezieht
(Netto Null).
Es fehlt eine Klimarisikobewertung, bzw. die Pflicht, eine solche zu erstellen
Es müssen effektive Kontrollinstanzen etabliert werden, die auch die Zivilgesellschaft von Anfang an, repräsentativ und ergebnisoffen mit einbezieht
Fragen, Kommentare und Anregungen gerne auf Discord: https://discord.gg/es2EGqCpvP