Wie ging es weiter, nach dem Beitrag in der NZ vom 31.5.2022

Von der Politik kam da nicht viel: beschlossen ist beschlossen.

Die AG Innenstadt und Verkehr der Stadtteilkonferenz Mitte hat ihre Haltung noch einmal formuliert:

Zitat:

Die Stadt sieht das Museum der 50er Jahre als Bereicherung an: „Es verdient einen Innenstadtstandort.“ Umso unverständlicher, dass der Vorschlag, den Nord-Flügel des alten Finanzamtes zu nutzen, abgelehnt wird.

Dieser Gebäudeteil mit neobarocken Portalen wurde 1909 fertiggestellt und wird als Museumsstandort vorgeschlagen. Zunächst war er Bezirkskommando und nach dem Wiederaufbau Teil eines Finanzamt-Neubaus. Die Wiederaufbau-Spuren kommen der Thematik des Museums zugute. Wenig Architektur aus dieser Zeit ist im Stadtzentrum erhalten.  Mit jedem Rückbau verlieren sich der Weg zu den Wurzeln.

2000 qm braucht das Museum. Gibt es Alternativflächen? Schwer in der Innenstadt vorstellbar. Mit den Themen US-GIs und dem Alltagsleben ist ein Museum eine wertvolle Ergänzung zum Auswandererhaus und zentralen Museen.

Nach Aussage der Denkmalschutzbehörde ist der Nord-Flügel erhaltenswert, kommt aber wegen Kriegsschäden für eine Unterschutzstellung nicht in Frage. Städtebaulich passt sich der Nordflügel – ein Viertel des Komplexes – mit seinem Mansardendach gut in die Umgebung ein. Bei Erhalt verbliebe bedeutende Fläche für Neubau. Für letzteren gibt es weder Vorschlag noch Plan, es sei man definiert ‚Vakuum‘ als Konzept.

Altlasten (Asbest) werden als Abrissgrund vorgeschoben. Diese finden sich in vielen Gebäuden. Sie können durch Sanierung geheilt werden! Ein Nutzungskonzept für die Freifläche gibt es nicht.

Die Stadt hat kein Auge für die Geschichte: geplanter Abriss des Columbus Bahnhofes oder Verschrottung des historischen Schwimmkrans „Blauer Klaus“. Besser sich in teuren Attraktionen verfranzen wie dem Neubau der Najade.

Vor allem Nachhaltigkeit kommt hier zu kurz. Die Fachwelt ist sich einig: Abriss nur in Ausnahmefällen. Der Baukulturbericht 2022/23 enthält konkrete Handlungsempfehlungen für Politik und Verwaltung, die in Bremerhaven niemand zu kennen scheint.

Im Leben eines Gebäudes gibt es drei Phasen: Bau, Betrieb und Rückbau. Der Erhalt des alten Gebäudeflügels ist die nachhaltigste Variante, denn die graue Energie, die im Gebäude steckt, bleibt erhalten. Sie macht deutlich mehr als die Hälfte, der im Lebenszyklus eingebrachten Energie aus.

Allgemein gilt: ressourcenschonender Umbau vor Abriss und Neubau! Umbauinvestitionen kompensieren sich über längere Zeit. Der Grund: die Entsorgung des Altbaus ist energieaufwändig. Aus diesem Grund ist nachhaltiges Bauen, sorgfältig wirtschaften dem Bestand.

Bremerhaven als Klimastadt muss hier Vorbild sein. Den Vorschlag dem Museum eine Heimat im alten Gebäudeflügel anbieten, unterstützt die STK-Mitte.

Museum der 50ger Jahre: Mit Charme in den Nord-Flügel des alten Finanzamtes

Die STK-Mitte unterstützt den Museumsvorschlag und hat das Ergebnis der Diskussion ins Netz gestellt. Von der Stadt wird der Vorschlag abgelehnt. Die Sache sei entschieden. Auf Nachfragen wird auf ein Gutachten über eine Asbestbelastung verwiesen. Die Sache sei irreversibel.

Seltsam wie pudelwohl und graziös sich die Abbrucharbeiter mit Baggern völlig ungeschützt von dem tödlichen Feinstaub im Innern des Gebäudes bewegen. Ist der Grund nur vorgeschoben sein? Sollte man das Gutachten hinterfragen?

Was kommt nach dem Abbruch? Ein Vakuum, denn einen Plan danach gibt es auf Nachfragen NICHT. Die Freifläche sei an einem möglichen Käufer leichter zu vermarkten, hört man an der ein oder anderen Stelle. Noch ein futuristisches Neubauexperiment? Wollen die Bürger das? Wir glauben nicht.

Sieht so angebliche Bürgerbeteiligung aus? Nein! Die STK-Mitte fordert ein Moratorium und Stop des Nordflügel-Abbruchs bis zur Klärung.



Interessant ist der Erfahrungsbericht eines Mitgliedes der AG Peter Frei:

Zitat:

Gespräche zum geplanten Abriss alten Finanzamts mit Verwaltung und Politik – Erfahrungsbericht eines Mitglieds der STK-Mitte (Peter Frei, 11.06.22)

Dr. Rüdiger Ritter, der Mitverantwortliche für das Museum der 50ger Jahre hatte die STK-Mitte zur Mai Mitte über seine Vorschläge das Museum im Nord-Flügel des alten Finanzamts unterzubringen, informiert. Enttäuscht zeigte er sich über die bisherige Reaktion der Stadt. Ein Gespräch mit dem Kulturverantwortlichen der Stadt habe ergeben, dass die Stadt andere Pläne habe. Von Abriss war nicht die Rede und Dr. Ritter war noch hoffnungsfroh. Sein Vorschlag wurde sehr positiv von der STK-Mitte bewertet.

Ich dachte: Das Gebäude sehe ich mir mal an. Natürlich ist es mir von manchem schweren Gang in alter Zeit auch im Innern bekannt. Die Amtsstuben reihten sich einst Tür an Tür auf unendlich langen Fluren: Ich fühlte mich in eine Registratur des 19. Jahrhunderts zurückversetzt, wenn ich mit meinem sorgfältig aufbereiten Mappen, auf der verzweifelten Suche nach dem richtigen Ansprechpartner, die Gänge entlang sparzierte. Das Amt wuchs mir ans Herz.

Als ich die seit Jahren leerstehende Brache am nächsten Morgen bei einem Spaziergang durch die Innenstadt umrundet, sah ich Erstaunliches. Reges Treiben im Innern. Dort fuhren Klein-Bagger spazieren, Staub wirbelte auf und eine Schar fleißiger ‘Handwerker’ (ohne Masken), die man durch die in winzigen Spalten geöffneten, verschmierten Fenster beobachten konnte, sah man emsig am Werk. Liebevoll eingezogene Rigips-Zwischenwände und was sonst noch, zerfielen zu Staub und toxischer Asche. Der Schutt türmte sich in und vor dem Gebäude. Die ‘Innensanierung’ war in vollem Gange.

Auf halber Runde traf ich die Arbeiter bei der Frühstückspause und verwickelte sie, als interessierter Bürger, in ein Gespräch. Das ergab, dass das Gebäude wohl sie wohl Ende Juli 22 der Geschichte angehöre. Der komplette Abriss sei beschlossene Sache. Was danach käme, davon wüsste man nichts.

Auf Nachfragen der STK-Mitte ergab sich dann, dass das Gebäude an schlimmer Asbestose litte und der Abriss sei daher, wissenschaftlich fundiert, leider unumgänglich. Auch sei das aus alten Kriegstrümmer zusammengepuzzelte Ensemble, wegen zu geringer historischer Anteile zwar durchaus interessant, aber eben nicht denkmalschutzwürdig. Die Sache sei beschlossen.

An dieser Stelle sei eine kurze Rückblende in den September 2021 erlaubt: “Innenstadt Neu denken”. Mancher wird sich noch erinnern. Ich selbst nahm an vier bis fünf Veranstaltungen teil. Manche Veranstaltung war nur besonders qualifizierten Personen zugänglich, z.B. Behördenvertretern und außerstädtischen Experten. Hier wurde eine hl. Messe der Bürgerbeteiligung zelebriert, die darin gipfelte, dass zu aller Überraschung am 2. Tag der Veranstaltung der Kauf der Karstadt-Immobilie von höchster Stelle und Freude strahlend verkündet wurde.

Obwohl das Alte Finanzamt gelegentlich angesprochen wurde, verwies der Veranstalter ‘Urbanista’ stets darauf, dass die Diskussion im Auftrag der Stadt an der Grenze zum Finanzamt aufhöre. Dies habe man, um die Sache übersichtlich, zu halten ausdrücklich ausgeklammert. Hier gäbe zwar Überlegungen, die seien aber noch nicht weit fortgeschritten.

Mit dem Karstadt-Kauf konnte die Veranstaltung als gelungen ansehen werden, weil hier nun durch die Politik endlich der entscheidende Durchbruch gelungen sei. Die von den Bürgern eingebrachten Vorschläge wurden feinsäuberlich in 20 Päckchen verpackt, die nun abgearbeitet werden sollen oder aus später ersichtlichen Gründen nicht können. Das kann Jahre dauern und legt die Reihenfolge der Abarbeitung in die Hände der Politik. Ist aber erst mal positiv zu bewerten, aus meiner Sicht.

Inzwischen liest man gelegentlich, dass überlegt wird, bei Karstadt befristet wieder Geschäfte einziehen zu lassen. In 09/21 bestand noch der Glaube, dass Karstadt 22 abgerissen wird und dass es nun zügig mit der Innenstadtsanierung vorangehe. Vielleicht ist es einfacher erst mal ein kleineres Gebäude (Altes Finanzamt) abzureißen und das komplexere Gebäude (Karstadt) kommt dann hinterher, nur wann?

Es ist schwierig mit der Politik über das Thema ‚Altes Finanzamt‘ noch einmal ins Gespräch zu kommen, denn Beschlüsse, die einmal gefasst sind, sind schwer gesichtswahrend wieder rückgängig zu machen bzw. zu korrigieren. Daher kam mir die Einladung von Heiko Strohmann von der Bremer CDU zu einem Bremerhavener Bürgergespräch, die an viele Haushalte verteilt wurde, am 9.06. gelegen und ich wollte das Thema ‚Altes Finanzamt‘ einmal auf politischer Ebene testen, als Bürger wohlgemerkt; nicht als Mitglied der STK-Mitte.

Er hörte sich meine Anliegen interessiert an und ich darf mich für das herzlich für sein Gehör bedanken. Natürlich erwarte ich von einem Bremer Parteipolitiker nicht, dass er Bremerhavener Problematiken en Detail kennt. Er versprach nachzuhaken und sich zu melden, was er, nach meiner Einschätzung, mit Sicherheit auch tut.

Im Wesentlichen tauschten wir die oben genannten Argumente pro und contra aus. Mit Unterstützung eines Bremerhavener Parteikollegen diskutierten wir auch die Problematik ‚Altes Finanzamt‘ und Asbestgutachten, das von der Sache her als Argument allen Beteiligten bekannt ist, das jedoch die wenigsten gelesen haben dürften. Mir bzw. der STK-Mitte liegt das Gutachten, wahrscheinlich eine Verschlusssache, natürlich nicht vor. Ich ließ es mir nicht entgehen, darauf hinzuweisen, dass mir die Art und Weise, wie man Bürgerbeteiligung in Bremerhaven definiere, nicht gerade besonders viel Spaß mache.

Interessanterweise fiel im Verlauf der Diskussion auch das folgende Argument: Es sei doch einfacher ein leeres Grundstück einem möglichen Investor anzubieten.

Klar, denn die Abbruchkosten machen einen erheblichen Teil der Kosten (u.U. bis 50 % oder mehr) im Leben eines Gebäudekomplexes aus. Man denke nur an AKWs. Diese finanziert nun beim ‚Alten Finanzamt‘ vermutlich die Stadt Bremerhaven.

Das also war des Pudels Kern (Faust I).

Ich möchte noch anmerken, dass es sich hier nicht um die konsensuale Meinung der STK-Mitte handelt, sondern lediglich um die Meinung eines interessierten Mitbürgers, der gelegentliche Ausflüge in die Innenstadt unternimmt, Beobachtungen macht und Gespräche führt. Dies muss auch nicht notwendigerweise die Meinung einer Mehrheit der Bremerhavener Bürger sein, aber ich kenne schon eine Menge Leute, die diese und ähnliche Einschätzungen teilen.


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