Die lang erwartete Vorstellung der Pläne für die Innenstadt fand in den Räumen des ehemaligen SATURN Marktes am 22.3.2022 statt.
Gut besucht, und auch die Politik war prominent anwesend.
Sven Lohmeyer von Urbanista, Prof. Jan Walter, Melf Grantz und Thorsten Neuhoff bildeten das Plenum.
Leider wird die aktuelle Präsentation von Urbanista erst später veröffentlicht, aber sie basiert auf den schon bekannten Ergebnissen. Diese wurden anders gewichtet und allgemeiner darstellt.
[LINK] für die Daten der Online Befragung und
[LINK] für die Daten der Präsenzveranstaltung aus September 2021.
Als Essenz wurde aus der einwöchigen Veranstaltung im September 2021 geschlossen:
Die Mischung von Funktionen und Angeboten fördern
(Arbeiten, Wohnen, Kultur…)
Die Innenstadt als gesellschaftliche Mitte stärken
(Treffpunkt, Möglichkeiten, Räume schaffen)Neue Mobilitätssysteme und Raumqualität schaffen
Die Innenstadt ans Wasser bringen
Urbanista Sven Lohmeyer
Sven Lohmeyer bildete zwei Schwerpunkte.
- Der erste Schwerpunkt ist eine allgemeine Schilderung moderner Stadtplanung. Hier lohnt die Lektüre der Bücher von Jan Gehl, bzw. seiner Vorträge. Ich hatte darüber schon berichtet. [LINK], viele nun präsentierte Ideen finden dort ihren Ursprung.
- Der zweite Schwerpunkt bilden einzelne Projekte.
Es sind zum Teil Projekte, die man schon auf der Innenstadtkarte der Präsenzveranstaltung im September 2021 findet. ( Seite 4 der .pdf)
Der erste Schwerpunkt: Allgemeine Gedanken über die Innenstadtplanung
Sven Lohmeyer unterteilt dies Thema in drei Bereiche:
I. Hardware:
Hier werden Gebäude eingeordnet:
- Kompakter Städtebau, Flächennutzung multifunktional
- Aktive Erdgeschosse ( -> siehe Jahn Gehl)
- Reaktivierung des historischen Straßenpflasters
- Öffentlicher Raum nach menschlichem Maß ( -> Jahn Gehl)
- Attraktive öffentliche Räume
- Klimaanpassung der Stadträume
- Mehr Stadtgrün
- Radverkehr und Fußverkehr mitdenken
II. Sofware
Die Nutzung der Gebäude und Räume
- Nutzungsmix: neue Nutzungen, hybride Orte
- Öffentliche Nutzungen als Pfeiler
- sichtbare Regionalität
- Öffentlicher Raum als Wohnzimmer
- Angebote für junge Zielgruppen
- Veranstaltungen
- Wasser als öffentlicher Raum
- Dachflächen aktivieren
- Wohnquartier Mitte
- Kultur und Kreativität sichtbar machen
- Stadtverträglicher Tourismus
III. Orgware
Organisation und Management
- Standortgemeinschaften
- Zentrales Management
- Kooperationsmodelle ( z.B. Logistikkonzepte)
- Baukultur und Prozesskultur
- Möglichkeiten erkennen
- Engagement und Ehrenamt fördern
- Bürgerprojekte fördern
Kurz:
Kann mal alles unterschreiben, aber es bleibt doch alles etwas im vagen, deshalb hat Urbanista im zweiten Teil des Vortrages explizit Projekte vorgeschlagen.
Der zweite Schwerpunkt: Einzelne Projektideen
Hier verweise ich auf die Unterlagen unter [LINK].
Die Stationen auf der Karte finden wir auch bei den Projekten wieder, ergänzt mit Vorstellungen über ihre Realisierbarkeit.
Drei Projekte als Starke Beiträge:
- Neuer Anker = die Neugestaltung des Karstadt Areals
- Bremerhavenhaus = Die neue Nutzung des Saturn Gebäudes als Kulturzentrum
- Stadtboulevard Columbusstrasse = die alte Idee eines Grünstreifens neben der Columbusstraße.
Drei Projekte als Schnelle Erfolge:
- Sommercampus am Wencke Dock (Ein Containerdorf für Studenten)
- Zwischennutzung Eulenhof
- Innenstadtmanagement
Weitere Projektideen:
- Neuer Anker, Neugestaltung des Karstadtareals, mit Schwerpunkt Markthalle
- Neuer Eulenhof – Mix aus Arbeiten und Wohnen, Stärkung Ost/West Achse
- Bremerhavens grünes Herz, Rückbau von Parkplätzen zu Grünflächen
- Innenstadtmanagement
- Stadtbühne Theaterplatz; Entwicklung des Theodor Heuss Platzes
- Bremerhaven Haus, ein Kulturzentrum im SATURN Haus, neue Bibliothekswelt
- Sommercampus Wenche Dock Erweiterung der Uni mit einem Container-Dorf
- Grüner Loop, grüner Fußweg rund um die Stadt
- Nette Ecke, attraktive Gestaltung von Straßenecken, Bevorzugung Fuß- und Radverkehr
- City Radeln, Ost und West Parallelen zur Bürger; die Bürger soll Fahrrad frei bleiben (!!)
Anm: siehe Entwurf des ADFC [LINK] - Streetart Meile – Straße Alter Hafen wird zur Graffiti-Meile
- City Campus Alter Hafen Ausweitung der Uni
- Stadtboulevard Columbusstraße – Eine grüne Promenade entlang der Columbusstraße
Anm.: siehe auch den Entwurf von Tilmann Latz [LINK] aus 2013 und [LINK] und der Vorschlag der Grünen aus 2016 [LINK] - Stadtentree Finanzamt, nach Abriss Zwischennutzung
- Swimcity Bremerhaven, z.b. Sportangebote auf dem Wasser,
Weser Strandbad zum Schwimmen - Clubkultur Bremerhaven- ohne Ortsangabe
- Starter-boxen – Alte Garagen umnutzen, z.B. für Werkstätten für Start-ups
- Parkhäuser umnutzen, Dächer nutzen, Mobilitätshubs
Die Pläne zum Karstadt Areal
Danach stellte Prof. Walter die schon bekannten Pläne zum Karstadt Areal vor.
Er betonte wie glücklich sich Bremerhaven schätzen könne, daß dort durch einen regionalen Investor ein Medienhaus geplant sei, eben mit einer Markthalle.
Und, daß Bremerhaven diese Chance nutzen solle.
Die Pläne sind schon bekannt, und wurden von der Nordseezeitung vorgestellt. [LINK]
[LINK] bzw. ButenUnBinnen. [LINK]
Neue Infos?
Ja, Melf Grantz berichtete, wie die Stadt die geplante Nutzung der Gebäude sicherstellen wolle: durch einen “Vorhaben gebundenen Bebauungsplan”. Was das bedeutet:[LINK].
Das ist sicherlich ein effektives Mittel, die Gestaltung der Innenstadt in den Händen zu behalten, es kommt aber immer auf “das Kleingedruckte” an.
Man wird sich die Festsetzungen darin sehr genau anschauen müssen, und ganz genau überlegen, wie man die Nutzung im Interesse der Menschen in der Stadt sichern kann.
Dies Verfahren muß transparent für alle Menschen in der Stadt erfolgen.
Stadtplanung?
Es war doch eher eine Aneinanderreihung einzelner Vorschläge, um das Karstadt Projekt “einzubetten”. Stadtplanung sieht anders aus, und war auch nicht Gegenstand der Vorträge.
Es waren Impulse.
Wie ein Konzept für Bremerhaven im Ansatz aussehen könnte, hat Tilman Latz in einem Beitrag für die NZ geschildert [LINK]
Er sieht auch das eigentliche Problem: den Verkehr in Bremerhaven, und stellt Ideen nicht nur für die Columbusstraße vor. [LINK]
Was sagen die Anwesenden?
Als letzten Teil der Veranstaltung konnten die Anwesenden ihre Meinungen äußern:
Es zeigte sich schnell die eigentliche Sollbruchstelle der gesamten Planungen:
Der Verkehr.
Sei es die Angst von Teilen der Kaufmannschaft Parkplätze zu verlieren, oder der Wunsch endlich weg von der Autostadt zu kommen. Die Columbusstraße war wie immer ein Thema.
Es stellt sich die Frage, was eine Planung der Innenstadt ohne Verkehrsplanung überhaupt bewirken kann. Der Focus kann nicht nur auf das Karstadt Gebäude gerichtet werden, so hat der Vorschlag einer grünen Promenade an der Columbusstraße zu planen wohl eher für Lächeln gesorgt.
Bremerhaven hat keinen Verkehrsentwicklungsplan der aktuell umgesetzt wird.
Das ist ein großes Problem.
Das Klima:
In den Projekten spiele das Klima, z.B. die Auswirkungen der Maßnahmen auf das Klima keine Rolle. Welchen Klimafußabdruck haben die Maßnahmen, Bilanz vorher/nachher. CO2 durch Baumaßnahmen. Klimabetrachtung einzelnen Abschnitte. Extremwetterschutz…….
Sven Lohmeyer mußte eingestehen, daß weder Klima noch Verkehr zu der Aufgabenstellung gehörten.
Fazit:
Die Veranstaltung bestätigte meine Skepsis gegenüber dem Format der Urbanista Veranstaltungen.
Auch auf dieser Veranstaltung sah man viele bekannte Gesichter, viele der Beteiligten waren aus anderen Veranstaltungen bereits bekannt.
Eine Bürgerbeteiligung ist das nicht, eher eine Impulsveranstaltung.
Aber die Politik hat sich sichtlich bemüht gezeigt, die Projekte voranzubringen, und das läßt hoffen.
Es fehlte nach wie vor die Transparenz bei den Maßnahmen, über die Roadmap und über den Meinungsaustausch der Beteiligten der Gestaltungswerkstatt. Gibt es Protokolle, Live Übertragung, ein abschließendes Statement nach jeder Sitzung??
Es bleibt bei den Entscheidungen hinter verschlossenen Türen.
Urbanista zählte eine Vielzahl von Einzelaspekten auf, aber das macht noch keine Stadtplanung.
Der Schwerpunkt der Politik liegt eindeutig bei der Umgestaltung des Karstadtareals.
Aber, für eine echte Bürgerbeteiligung bleibt noch Raum, und die Stadt könnte sich bei anderen Kommunen umsehen, wie diese es mit der Bürgerbeteiligung halten, und wie sie diese in ihre Planungen einbeziehen. Man muß das Rad nicht neu erfinden.
Urbanista kann das sicherlich nicht leisten, denn ihr Ansatz ist auf Impulse gesetzt und nicht auf einen langen Prozess der Stadtentwicklung mit den Bürgerinnen und Bürgern.
Mein Gefühl?
Nach der Veranstaltung: ein gutes!
Wenn man beide Vorhaben getrennt betrachtet, d.h. die Entwicklung des
Karstadt Areals vorantreibt, und die Entwicklung der Innenstadt im Einzelnen durch vorhabenbezogene Planungszellen auf eine breite Basis stellt, könnte es etwas werden.
Voraussetzung: Transparenz in jeder Phase des Verfahrens.
Es gibt noch viel zu tun!